Almudena Grandes: „Der Feind meines Vaters“, Hanser Verlag, 2013
Angelika Schrobsdorff, DTV, Taschenbuch, 1994
„Mein Kampf – gegen Rechts“ Europa-Verlag, 2016
Ob Thomas oder Heinrich Mann, ob Anna Seghers oder Schriftsteller unseres Jahrhunderts wie die in diesem Jahr verstorbene Angelika Schrobsdorff und die 1960 geborene spanische Schriftstellerin Almudena Grandes: Ihre Kunst hat einen sozialen Auftrag. Sie richtet den Blick auf die Unmenschlichkeit des Faschismus. Almudena Grandes tut dies in ihren Büchern „Der Feind meines Vaters“ und „Das gefrorene Herz“, Angelika Schrobsdorff in ihrem Buch „Du bist nicht so wie andere Mütter“.
Else heißt die Mutter, die in ihrer Lebenslust anders ist als andere Mütter. Sie vertraut auf den Rechtsstaat der Weimarer Republik. „Else stürzte sich also in die goldenen zwanziger Jahre, durch die sich bereits der Rost zu fressen begann. Sie nahm alles mit – Kultur und Laster.“ Fast zu spät spürt sie, dass ihre Ehe mit dem wohlhabenden und religiösen Erich sie vor den Nazis nicht schützen kann und flieht mit ihren Töchtern nach Bulgarien, wo die verwöhnte Frau große Schwierigkeiten bekommt, zumal die Nazis den Krieg bald schon auch in Bulgarien führen. Die Naivität Elses zu erleben, ihre Liebe, die sie in wunderschönen Briefen an ihre Freunde und Kinder zum Ausdruck bringt, zu spüren, dazu die brutalen Maßnahmen der Nazis gegen die Juden und die Verzweiflung der Angelika mit zu erleiden, fällt schwer, aber es macht uns Lesern bewusst, wenn wir die wachsende Unmenschlichkeit nicht mit Menschlichkeit bekämpfen, ist unsere Kultur in Gefahr.
Konstantin Wecker schreibt im Nachwort des neu erschienenen Buches „Mein Kampf – Gegen Rechts“: Wer mit Nazis „in puncto Unmenschlichkeit Kompromisse schließt, hat schon ein Stück seiner selbst und jener Kultur preisgegeben, die in der Nachkriegszeit nicht umsonst sehr hellhörig gegenüber allem gewesen ist, was nach Rassismus und Fremdenfeindlichkeit riecht.“ Elf Menschen beschreiben, wie sie gegen die wachsende Unmenschlichkeit in ihrem Alltag ganz einfach und ganz konkret kämpfen. Irmela Mensah-Schramm z. B. putzt seit dreißig Jahren rechtsextreme Slogans auf offener Straße weg – auch wenn sie dadurch regelmäßig Strafverfahren riskiert. Das sind die kleinen Waffen des Alltags.
Mit den Waffen der Kunst kämpft Almudena Grandes, die in Spanien die „militante Muse der Linken“ genannt wird. Für Mario Vargas Llosa „eine der besten Schriftstellerinnen unserer Zeit“. Anders als Schrobsdorff vermittelt Grandes dem Leser das Gefühl, dass der Kampf gegen die Unmenschlichkeit zwar schwer ist, aber dann von Erfolg gekrönt wird, wenn er solidarisch und konkret im Alltag erfolgt. „Der Feind meines Vaters“ ist der zweite Band einer auf sechs Teile angelegten Geschichte über die Herrschaft Francos. „Inés und das Glück“ war der erste Band und handelt vom Versuch einer antifranquistischen Invasion im Jahre 1944.
Der Feind des Vaters lebt in Andalusien. Es ist die Zeit von 1947 bis 1949. Die Jahre des rechten Terrors. „Verrat, Denunziation, Angst“ beherrschen das Dorf. Polizisten foltern. Feinde des Terrors sterben durch Kugeln in den Rücken. „Spanien hat sich in ein Land von Mördern und Ermordeten verwandelt“. Niño, der neunjährige Sohn eines Polizisten, erzählt die Geschichte seiner Familie, die in einer Kaserne der Guardia Civil lebt. Der Portugiese Pepe wohnt in einer Mühle nahe des Dorfes. Er wird der erwachsene Freund Niños, dessen Bücher er heimlich liest und von dem er erfährt, dass sein Vater eigentlich nur zur Tarnung zur Polizei gegangen ist. „Dein Vater“, erklärt Pepe, „ist bei der Guardia Civil, weil er am 18. Juli 1936 in einem Dorf lebte, in dem der Putsch erfolgreich war, weil dort niemand die Geschichte seiner Familie … kannte und er glaubte, dass euch nichts passieren würde, wenn er bei der Guardia Civil wäre.“ Niños Vater, so Pepe, sei Tagelöhner ohne Land gewesen, „und alle Tagelöhner kämpften damals auf der einen Seite“. Sie waren „alle in der Gewerkschaft der Tagelöhner organisiert“ und haben „geschlossen für die Volksfront gestimmt“. Niño wird Kommunist und erfährt erst viele Jahre später, dass Pepe, den alle im Dorf, auch die Polizisten, für einen Kauz gehalten hatten, ein Guerilleroführer gewesen war.