Die Bundesliga-Hinrunde

Brot & Spiele

Von Karl Rehnagel

Und, gehste ins Stadion?“ – „Glaube doch. Und, guckst du in der Kneipe?“. „Wahrscheinlich ja“. So oder ähnlich endet meist das Gespräch mit meinem Kumpel Micha einen Tag vorm Spiel. Merkwürdigerweise. Denn davor kommt erst die ellenlange Diskussion wie Scheiße die Bundesliga geworden ist: Brot & Spiele fürs Volk, völlig abgehobene und gesichtslose „Profis“, die heute ihr Wappen küssen und morgen in England spielen, absurde Gehälter, Spieltagsverzerrungen über die ganze Woche, der unsägliche Kommerz, der Fan als kritiklose Klatschpappe für die Ränge usw. … Und doch gehen wir beide fast immer gucken, jeder auf seine Art. Warum? Tja, die schönste Ausrede, den Mist noch mitzumachen und damit auch zu unterstützen, ist: „Da treffen wir unsere Kumpels und Kumpelinen und das ist doch immer nett und so …“ Wird vielleicht Zeit, das mal als Alibi nicht mehr gelten zu lassen. So lange aber, nun ja, hier die Hinrunde:

Die Bauern auf der Eins, Mega-Überraschung. Da bleiben sie auch bis ca. 2089, den nächsten richtig guten Spieler (Leon Goretzka) haben sie gerade erst Schalke abgejagt. Spannungskurve? Unter der Grasnarbe. Die Blauen stehen – oh Wunder – auf dem zweiten Platz, vor Dortmund, ganz Gelsenkirchen trinkt sich in einen Dauerrausch. Ein neuer, junger Trainer, eine Spielweise, die, sagen wir mal, „erfolgreich“ ist, das reicht 2017 für Platz zwei. Die gebeutelten Dortmunder auf der Drei, trotz der Boszkrise und gefühlten 23 Niederlagen am Stück – und den Busanschlag nicht zu vergessen. Auch das sagt etwas über die Qualität der Liga aus. Vier, vielleicht fünf Vereine, darunter die Werksvereine Leverkusen und Red Bull, spielen um den zweiten Platz und die internationalen Plätze, der Rest ist – sorry – Füllmaterial.

Sicher, Frankfurt spielt für seine Verhältnisse super, Gladbach auch. Aber dann kommen schon Augsburg, die Hertha und Hannover. Beim besten Willen: alles Vereine, für die die internationalen Begegnungen im nächsten Jahr äußerst kurz ausfallen würden.

Und sonst? Die traurigen Rekorde der Hinrunde: Dennis Diekmeier (HSV) schaffte es, sagenhafte 128 Einwürfe zum Gegner zu werfen. Respekt. Ungefähr so mein Niveau. Jonas Hoffmann (Gladbach) wiederum hat am häufigsten erfolglos auf die Bude geschossen (30 mal). Ante Rebic (Frankfurt) schaffte es mit 78 gepfiffenen Fouls auf Platz Eins, auf dem allerdings, würde es mit rechten Dingen zugehen, für immer und alle Zeiten Aturo Vidal (Bayern) stehen müsste, würden seine Fouls nur gepfiffen. Köln blieb 16 Spiele am Stück komplett erfolglos. Fast schon Kult. Und Nicolai Müller (HSV) schaffte es, sich beim Torjubel das Kreuzband zu reißen – sechs Monate verletzt. Dumm gelaufen.

Und sonst? Der Videoassistent. Er funktioniert, gelinde gesagt, ungenügend. Oder wie Loddar sagen täte: „Würde, würde, Fahrradkette.“ Leverkusen-Trainer (!) Heiko Herrlich legte am Spielfeldrand (!) eine Schwalbe hin, für die selbst sein Sohn nur einen Kommentar übrig hatte: „Papa, das war peinlich!“ Und Daniel Baier (Augsburg) zeigte der Red-Bull-Bank, was er von ihnen hielt. Mit einer Masturbationsgeste. Die Medienlandschaft explodierte, als wäre Trump himself, verkleidet als King Kong, über Nordkorea hergefallen. Albern. Wie eigentlich die ganze Bundesliga 2017.

Micha und ich trinken unser Bier aus. „Und, nach dem Spiel noch auf eins, zwei Pilschen?“ Aber sicher.

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"Brot & Spiele", UZ vom 5. Januar 2018



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