Die Kommunisten in Europa und die Entscheidung der Briten

Brexit: Sieg, Schock, falsche Flagge?

Von Olaf Matthes

Nach der britischen Abstimmung gegen die EU empfahl die Bundeskanzlerin Angela Merkel als erstes, man solle nun dafür sorgen, „dass die Bürgerinnen und Bürger konkret spüren können, wie sehr die Europäische Union dazu beiträgt, ihr persönliches Leben zu verbessern.“

Wie dieser Kanzlerwunsch zu den Erfahrungen der arbeitenden Menschen passt, stellte der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele fest: Sie „spüren konkret, wie das imperialistische Staatenbündnis EU dazu beiträgt, ihr Leben zu verschlechtern.“ Spardiktat und Abschottung, Demokratieabbau und Kriegspolitik zeigen, dass „die EU ein Werkzeug der Banken und Konzerne ist“, sagte Köbele. Die DKP begrüßte deshalb die Entscheidung der britischen Wähler.

Darin sind sich die kommunistischen Parteien in Europa überwiegend einig. Die Kommunistische Partei Britanniens (CPB) hatte für den EU-Austritt geworben – nicht an der Seite der rechten, fremdenfeindlichen „Brexiteers“, sondern an der Seite der Gewerkschafter, die die arbeiterfeindliche EU-Politik bekämpfen. Sie tritt für einen „Lexit“, einen linken Austritt, ein. In einem Beitrag für UZ schätzt der CPB-Generalsekretär Robert Griffiths ein, dass die Brexit-Entscheidung „zu einer Niederlage für die Kapitalistenklasse gemacht werden kann“. Demokratische Neuwahlen, die Stärkung der Linken in der Labour-Party und Druck durch die Arbeiterbewegung könnten den „Brexit“ in einen „Lexit“ zuwandeln.

Aus Sicht von Kommunisten zeigt die Entscheidung, wie unzufrieden die arbeitende Bevölkerung mit den Strukturen und der Politik der EU ist. „Die britischen Arbeiter, die für den Brexit gestimmt haben, haben die Nase voll“ von Sozialdumping, Entlassungen und Privatisierungen, schreibt Marc Botenga für die belgische Partei der Arbeit. Für Pierre Laurent ist das Ergebnis „ein neuer enthüllender Schock über das Ausmaß der Ablehnung der Menschen gegenüber der neoliberalen EU.“

Laurent ist Nationalsekretär der Französischen Kommunistischen Partei und Vorsitzender der Europäischen Linkspartei, die eine positive Sicht auf die europäische Integration hat, aber die neoliberale Richtung der EU-Politik kritisiert. Gegen den Schock der Ablehnung will er die Hoffnung auf eine bessere EU setzen, es gehe darum, „die EU neu zu gründen“. Botenga fordert eine Kursänderung für Europa und geht davon aus, dass diese Kursänderung damit beginnen müsste, die europäischen Verträge in Frage zu stellen.

Für die portugiesischen Kommunisten betont der Europaabgeordnete João Ferreira, dass die CPB die „falschen Alternativen“ zurückgewiesen habe, indem sie sich sowohl gegen die reaktionären Kräfte im Brexit-Lager als auch gegen die EU gestellt habe. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) sieht die Brexit-Entscheidung nicht nur als Ausdruck der Unzufriedenheit der Bevölkerung. Sie betont, dass die Entscheidung auch Ausdruck der Widersprüche zwischen den europäischen Mächten und Kapitalgruppen sei. Dementsprechend dürften die Völker ihren Kampf nicht „unter falscher Flagge“ führen, den Kampf gegen die EU müssten sie mit dem Kampf für den Sozialismus verbinden.

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"Brexit: Sieg, Schock, falsche Flagge?", UZ vom 1. Juli 2016



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