In Brüssel fand am 16. und 17. November ein zweitägiges Tribunal gegen die mörderische Blockade der USA gegen Kuba statt. Unter dem Vorsitz des Hamburger Völkerrechts- und Menschenrechtsprofessors Norman Paech wurden Dokumente ausgewertet und Anklagen und Zeugenaussagen gehört. Am Ende stand die Verurteilung der USA – dargelegt in einer vierseitigen Schrift, die hier nachgelesen werden kann: kurzelinks.de/urteildestribunals
UZ sprach mit Patrik Köbele, dem Vorsitzenden der DKP, der am Tribunal teilgenommen hat, über die Gerichtsverhandlung, die Auswirkungen der Blockade und darüber, was sie mit der Souveränität anderer Länder zu tun hat.
UZ: Vergangene Woche hat in Brüssel ein Tribunal gegen die Blockade gegen Kuba stattgefunden, auch du hast dort gesprochen. Warst du als Zeuge geladen?
Patrik Köbele: Ich war nicht als Zeuge da. Es gab in Vorbereitung der Anklage einen Block, der der politischen Einordnung diente. Dazu waren Vertreter von politischen Parteien – darunter auch ich – geladen, ebenfalls zur Blockade zu sprechen.
UZ: 300 Teilnehmer aus 21 Ländern haben am Tribunal teilgenommen. Das klingt nach einer beeindruckenden Veranstaltung.
Patrik Köbele: Das war schon eine große Konferenz. Es waren sehr viele Vertreter von Organisationen da, aber auch Diplomaten aus mehreren Ländern. Es war tatsächlich wie eine Gerichtsverhandlung, es haben Zeugen ausgesagt, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen kamen. Sie haben berichtet, wie der Austausch zwischen Universitäten durch die Blockade unmöglich gemacht wird, wie Unternehmen wegen der Blockade kaputtgehen und wie die Covid-Forschung behindert wurde.
Das war schon sehr, sehr vielfältig und es war zum Teil auch sehr bedrückend, weil immer wieder rauskam, dass eben auch Menschen, dass auch Kinder wegen der Blockade sterben oder sich nicht so entwickeln können, wie es eigentlich möglich wäre. Es hat einige Stellen gegeben, die zu Tränen gerührt haben. Es gab – auch als Zeugenaussage – einen Film über ein Mädchen, das Krebs hatte und für das wegen der Blockade nicht das wirksamste Chemotherapie-Medikament zur Verfügung stand. Dem Mädchen musste dann ein Bein amputiert werden. Das war schon hart.
UZ: Der Vorsitzende Richter, der Völkerrechtler Norman Paech, hat in dem Urteil unter anderem auf „illegale Form der Kriegsführung“ und „versuchten Völkermord“ entschieden …
Patrik Köbele: Ja, das kann man auch gar nicht mehr anders sehen. Es wird im Prinzip versucht, das kubanische Volk auszuhungern – und zwar nicht nur hinsichtlich der Nahrung, sondern eben in medizinischer Hinsicht, in kultureller Hinsicht. Letzten Endes soll damit das kubanische Volk in einen Widerspruch zur Revolution gebracht werden. Das ist es, worum es geht. Und das ist Krieg. Das ist nichts anderes als Krieg.
Diese Blockade wird jetzt seit 30 Jahren jährlich im Prinzip von allen Staaten verurteilt. Bei der letzten Abstimmung in der UN haben lediglich die USA und Israel für die Blockade gestimmt, die Ukraine hat sich enthalten.
Diese Blockade ist in höchstem Maße völkerrechtswidrig – einzelne Staaten haben nicht das Recht, so vorzugehen, wie das die USA tun. Aber das Schlimme ist ja noch dazu, dass sie andere Länder in ihre Blockadepolitik verwickeln. Die USA höhlen im Prinzip die Souveränität Deutschlands, der EU-Staaten aus, indem sie sich anmaßen, Unternehmen aus Deutschland, die an sich gar nichts mit der Blockade zu tun haben, in den USA zu bestrafen, wenn sie sich nicht an die Blockade halten. Gerade auch in diesem Zusammenhang ist die Haltung der Bundesregierung pervers. Sie ist entweder feige oder – was wahrscheinlicher ist – sie ist verbrecherisch. Denn letzten Endes führt sie sich als Terrorhelfer auf. Öffentlich verkündet sie, gegen die Blockade zu sein, aber tatsächlich unterstützt sie den Terror der USA und lässt alles zu, was diese Blockade noch schlimmer macht.
UZ: Ging von dem Tribunal eine Signalwirkung aus?
Patrik Köbele: Ich denke, ja. Wir müssen Druck auf unsere nationalen Regierungen machen. Wir müssen die Auswirkungen dieser mörderischen Blockade öffentlich machen – es ist ja so, dass viele Menschen davon gar nichts wissen. Ich habe manchmal Diskussionen mit Freunden, die dann sagen: „Ja, in Kuba, da geht es den Menschen so schlecht!“ Und wenn ich daraufhin frage: „Ja, das stimmt – aber warum geht es den Menschen so schlecht?“ Dann sind denen die Blockade und deren wirklich schlimme Auswirkungen gar nicht bekannt. Ich meine, das müssen wir deutlich machen – und dem dient auch das Tribunal.
Jetzt kann man natürlich sagen, na ja, was bewegt das schon. Ich denke, das ist eine falsche Haltung. Diese Form von Tribunal hat ja eine Tradition. Es gab das erste dieser Tribunale damals gegen den Vietnam-Krieg. Die Tribunale haben dazu beigetragen, den Widerstand zu verbreitern, zu vergrößern, und das ist nötig.
Wir als DKP haben jetzt einen großen Schritt gemacht, indem wir wieder unsere Klinik Rosa Luxemburgo unterstützen konnten. In der Klinik wird Kindern mit Beeinträchtigungen, die in anderen Ländern der sogenannten Dritten Welt wahrscheinlich keine Chance hätten, geholfen. Wir haben mit einer Spendensammlung dafür gesorgt, dass die IT-Infrastruktur auf einen Stand kommt, der vernünftig ist.
Wir werden mit der Soli-Arbeit weitermachen, bis diese Blockade fällt. Ich bin mir ziemlich sicher: Wenn Schluss wäre mit der Blockade, könnte Kuba eine großartige Entwicklung nehmen, wie man zum Beispiel in der Pandemie gesehen hat: Ein Land unter Blockadebedingungen bringt eigene Impfstoffe hervor und schickt noch tausende Ärzte in andere Länder. Wenn man sich dann vorstellt, was dort wäre ohne Blockade – Kuba würde eine gigantische Entwicklung nehmen.
UZ: Also bleibt unsere Aufgabe, einerseits materielle Solidarität zu leisten und andererseits hier über die Blockade und ihre Folgen aufzuklären?
Patrik Köbele: Wir müssen unserer Regierung um die Ohren hauen, dass ihr Verhalten gar nicht geht: Wie schon gesagt – vordergründig behauptet sie: „Wir sind auch nicht für die Blockade.“ Dann aber tut sie nichts, rein gar nichts, um diese Blockade zu stoppen. Stattdessen lässt sie auch noch zu, dass Deutschland für diese Blockade mit in Geiselhaft genommen wird.
Das Gespräch führte Melina Deymann