In vielen Städten und Kommunen Sachsens kam es in den vergangenen Tagen erneut zu Aufmärschen und Aktionen von Neofaschisten und Rassisten – mancherorts getarnt als „besorgte Bürger“. Schon seit Wochen spitzt sich der aus der Mitte der Gesellschaft kommende Rassismus zu. In Chemnitz blockierten erst vor wenigen tagen rund 600 extrem Rechte die Zufahrtsstraßen zu einer Flüchtlingsunterkunft. Zu der menschenverachtenden Aktion hatten lokale „Pegida“-Strukturen aufgerufen. In Plauen versammelten sich knapp 5000 Personen, um gegen Flüchtlinge mobil zu machen. Ähnliche Bilder waren aus Freiberg, Dresden, Leipzig, Sebnitz, Hoyerswerda und anderen sächsischen Städten zu sehen.
Zunehmend fühlt sich die sogenannte Mittelschicht offenbar bemüßigt, gegen diejenigen mobil zu machen, die noch deutlich weniger besitzen als sie selbst, meist nämlich nur die Kleidung, die sie am Körper tragen. Auch die etab-lierte Politik übt sich in Sachen Flüchtlingshilfe zunehmend in Stimmungsmache und setzt weiter auf Abschreckung. So sprach sich jüngst auch der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) für eine Verschärfung der Asyl-Politik aus und stimmte demnach dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) zu, dass „Anreize für eine Einreise nach Deutschland noch weiter zu reduzieren“ seien, indem die EU-Außengrenzen gesichert werden müssten.
Bei Juliane Nagel, Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik der sächsischen Linksfraktion, stoßen derlei Pläne hingegen erwartungsgemäß auf Ablehnung. „Der Ministerpräsident will mit seinen Forderungen nach einer Verschärfung des Asylrechts zum tiefschwarzen Bayern aufschließen und reiht sich in die Absetzbewegung von Bundeskanzlerin Angela Merkel ein“, konstatierte Nagel am Sonnabend. In Sachsen herrsche mittlerweile „zum Teil eine pogromartige Stimmung gegen Asylsuchende und deren Unterstützer“, berichtete die Landtagsabgeordnete weiter. Ob in Dresden-Übigau, in Einsiedel oder in Freital, wo in der Nacht zu Sonnabend erneut das Bürgerbüro der Linken attackiert worden war: Verstärkt eiferten Menschen den rassistischen Ausschreitungen von Heidenau nach und versuchen etwa, die Unterbringung von Asylsuchenden in ihren Städten und Stadtvierteln zu verhindern, so Nagel. „Mit seinen asylpolitischen Vorschlägen knüpft Tillich an diese Stimmung an“, kritisierte die Abgeordnete weiter.
Politischer Gegenwind gegen die nur wenige Jahre nach dem NSU-Terror aufkommende rassistische Massenmobilisierung kommt derzeit einzig von Linken, Antifaschisten und einigen wenigen Bürgerinitiativen für Flüchtlinge. Vielerorts herrscht Ratlosigkeit, was dem braunen Treiben entgegengesetzt werden könnte. Der Erfolg des rechten Geplärres wird mittlerweile auch in Wahlumfragen deutlich. Etwa zwei Drittel der sächsischen Wähler würden mittlerweile für rechte Parteien stimmen. Auch die neofaschistische NPD befände sich aktuellen Umfragen zufolge wieder im Landtag. Die sozialchauvinistische AfD würde gar ein zweistelliges Ergebnis (13 Prozent) einfahren, würde aktuell in Sachsen ein neuer Landtag gewählt.
Mittlerweile scheint es, als könnte die rassistische Flut einzig durch eine Neuauflage des Hochwassers von 2002 gestoppt werden. Damals buhlten ausgerechnet diejenigen, die heute gegen Solidarität und Humanismus hetzen, um Hilfsleistung aus anderen Bundesländern und auch dem europäischen Ausland.
Aktuell beteiligt sich im Freistaat jedoch auch die SPD an der Hetze. Der stellvertretende Ministerpräsident und SPD-Landeschef Martin Dulig‚ forderte, „die Flüchtlingswelle eindämmen, ja, sie zeitweise stoppen“, weil sonst „die Leistungsfähigkeit unseres Staates, die Zukunft Europas und die Stabilität der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“ infrage stehe.
„Sind es die Geflüchteten, die mit nur dem, was sie tragen konnten, hier ankommen und in Turnhallen und alten Baumärkten Unterschlupf finden, die die Demokratie gefährden? Das ist ein vollkommen entrücktes Bild der Realität im Freistaat, in dem Leute gegen ein Grundrecht auf die Straße gehen, die Einrichtung von Notunterkünften teilweise gewaltsam verhindern und Helfer-Innen attackieren“, kritisierte darufhin Antje Feiks, Landesgeschäftsführerin der sächsischen Linkspartei. Die po-
gromartige Stimmung in Sachsen dürfte dadurch jedoch kaum aufzuhalten sein und sich jedoch künftig weiter verschlimmern.