Was bisher hierzulande kaum bekannt ist: Die für Russland gefährlichste Entwicklung stellen strategische Hyperschallwaffen des US-Heeres vom Typ „Dark Eagle“ dar. Das sind Boden-Boden-Waffen mit einer Reichweite von etwa 2.800 Kilometern. Sie sollen, so sehr beunruhigende Nachrichten aus Fachkreisen, 2025 nach Deutschland kommen. Ihre Stationierung stellt eine Bedrohung auch für uns dar, denn sie können zu Magneten für russische Angriffe werden.
Unter Donald Trump wurde 2019 die Entwicklung der „Dark Eagle“ (Dunkler Adler) in Gang gesetzt. Lockheed Martin erhielt den Auftrag für die Entwicklung der Rakete – ihre Vorgängerfirma Martin-Marietta hatte einst die Pershing II entwickelt. Der an der Spitze der Rakete aufmontierte Gleitkörper mit konventionellem Sprengstoff ist bereits fertig. Superschnell wie einst Pershing II, aber anders als bei diesen ist ihr losgelöster Gefechtskopf während des Fluges lange Zeit manövrierbar, so dass er nicht abgefangen werden kann. Er soll das Ziel mit zwölffacher Schallgeschwindigkeit punktgenau treffen können. US-Militärkreise arbeiten mit Hochdruck an ihrer Indienststellung. Die erste Batterie soll bis zum Sommer an der US-Westküste aufgestellt werden. Damit könnte die Raketen Ziele bis weit in den Pazifischen Ozean hinein treffen. Nach einem Jahr Evaluierung soll die Aufstellung der zweiten Batterie erfolgen – in Deutschland.
Insgesamt wollen die USA „Dark-Eagle“-Batterien in fünf Regionen rund um den Globus errichten, eine davon in Europa. Die entsprechende Multi-Domain-Task-Force (MDTF), 500 Mann stark, ist bereits seit November 2021 da, verteilt auf Wiesbaden und Grafenwöhr. Einem ausführlichen Artikel in der bedeutendsten deutschen Militärzeitschrift, „Europäische Sicherheit & Technik“, aus dem November 2023 ist zu entnehmen, dass die Aktivierung der „Dark-Eagle“-Batterie in Deutschland 2025 erwartet wird. „Operativ wird die Batterie durch das 56th Artillery Command geführt werden.“ Das Kommando ist in Mainz-Kastel (Ortsteil von Wiesbaden) ansässig. „Vom osteuropäischen Bündnisgebiet aus könnte die in Deutschland stationierte „Dark-Eagle“-Batterie Ziele in ganz Russland westlich des Urals treffen“, so der Autor der Militärzeitschrift. Damit eine entsprechende Verlegung schnell möglich ist, sind die Abschussrampen auf LKW montiert und können zudem mit Flugzeugen transportiert werden.
Wozu „Dark Eagle“?
Bei „Dark Eagle“ handelt es sich um eine global einsetzbare strategische Waffe. Sie ist auf zeitkritische Hochwert-Ziele („high payoff/time critical targets“) ausgerichtet. Darunter werden Ziele verstanden, die sich von Ort zu Ort bewegen können. Die Bedeutung des Waffensystems wird dadurch unterstrichen, dass das US Strategic Command (USSTRATCOM), zuständig auch für die Atomwaffen der USA, die Angriffsziele und Aufgaben der „Dark-Eagle“-Batterien festlegt. Ein Schuss kostet 41 Millionen Dollar, ist also ziemlich teuer. Die Aufstellung von „Dark Eagle“ in Deutschland richtet sich gegen Russland. Ein mögliches Ziel: der russische Präsident.
Die russische Führung hat die Bedrohung durch US-Hyperschallraketen wahrgenommen. Präsident Wladimir Putin hat das in einer Rede an die Nation am 21. Februar 2022, drei Tage vor dem Angriff auf die Ukraine, dargestellt, als er sich mit den Gefahren auseinandersetzte, die aus einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine erwachsen. Er sprach die Stationierung bodengebundener Angriffswaffen der USA in der Ukraine an, wie sie nach der – wie er es nannte – „Zerstörung“ des INF-Vertrags 2019 durch Trump ermöglicht wird. Putin sagte, „die Flugzeit von Marschflugkörpern ‚Tomahawk‘ nach Moskau beträgt weniger als 35 Minuten, für ballistische Raketen aus dem Raum Charkow – 7 bis 8 Minuten und für die Hyperschall-Schlagmittel – 4 bis 5 Minuten. Das bezeichnet man als ‚das Messer am Hals‘.“ Putin fürchtet offensichtlich einen Enthauptungsschlag.
Denn bei einer Flugzeit von fünf Minuten bleibt keine Möglichkeit, militärisch auf den Überraschungsangriff zu reagieren – nicht einmal, einen Gegenschlag zu starten; die fünf Minuten werden allein für die Verifikation benötigt. Das bedeutet für die Zielperson: sie kann der gestarteten Rakete mit ihrem Gleitkörper nicht entkommen.
Was wird der russische Präsident mit dieser Aussicht vor Augen tun? Abwarten, bis die Batterie steht, weil er darauf vertraut, dass die USA sie schon nicht einsetzen werden? Denn dann würde, so die russische Nukleardoktrin, den USA und/oder Europa unweigerlich der nukleare Gegenschlag Russlands drohen. Oder befürchtet Putin, dass nach seiner Ermordung, die russische Generalität Skrupel bei der Zerstörung Europas und der USA hätte oder den eigenen Tod und den ihrer Landsleute scheut? Falls Putin zur letzten Überlegung neigt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als zuvor etwas zu unternehmen. Was könnte das sein? Im Ukrainekrieg nachgeben? Wohl kaum. Anbieten, auf eigene Hyperschallwaffen zu verzichten, wenn die USA es auch tun? Wohl auch nicht. Denn die US-Raketenabwehrsysteme, derentwegen Russland die eigenen Hyperschallraketen überhaupt entwickelt hat, sind dann immer noch da. Folglich wird Putin diesen Vorschlag nicht machen, es sei denn, die USA würden auf ihre Raketenabwehr verzichten. Davon ist aber nicht auszugehen. Also, was bleibt noch? Ein Präventivschlag auf US-Kommandozentralen in Deutschland. Mit hochpräzisen Hyperschallraketen Kinshal und Zirkon Wiesbaden, Stuttgart, Ramstein, Büchel und Grafenwöhr zu beschießen könnte die US-Einsatzfähigkeit in Europa zerstören. Und der Gegenschlag der USA? Ihre Kommandozentralen in Europa wären unbrauchbar, ebenso ihre militärischen Möglichkeiten. Würden sie dann ihr strategisches Nukleararsenal mit Interkontinentalraketen, von U-Booten und Bombern aus gegen Russland einsetzen?
Schwarzmalerei?
Klingt alles sehr abenteuerlich. Aber es ist brandgefährlich für uns alle. Zu abwegig? Zu spekulativ? Vielleicht. Seit über 20 Jahren setzten die USA Drohnen ein, um ihnen missliebige Menschen zu ermorden. Sie schrecken dabei weder vor der Souveränität anderer Staaten noch vor zivilen Opfern zurück, wie die Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani Anfang 2020 zeigt. Eine Drohne schoss dazu Raketen auf die Fahrzeugkolonne des Generals auf dem Flughafen der irakischen Hauptstadt Bagdad. Staaten mit intakter Luftverteidigung sind mit solchen Drohnenangriffen natürlich nicht zu beeindrucken. Hyperschall-Raketen ändern diese Situation. Vermutlich sitzen die Planer in US- und NATO-Zentralen schon an entsprechenden Überlegungen.
Ob die russische Seite ihre militärische Strategie ähnlich personenzentriert wie hier dargestellt plant, ist ungewiss. Sie wird allerdings die Fakten kennen und damit ist die Stationierung von „Dark Eagle“ in jedem Fall destabilisierend. Wie dem entkommen? Indem die „Dark Eagle“ nicht nach Deutschland kommen. Wir haben noch ein Jahr Zeit, den nötigen öffentlichen Druck dafür auf Scholz, Baerbock und Co. zu erzeugen.
Unser Autor ist Ko-Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Herausgeber der Kasseler Schriften zur Friedenspolitik und arbeitet mit in der Berliner Friedenskoordination.
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