„Das ist Imperialismus, was wir da erleben“, sagte der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck kurz vor den Wahlen. Er meint damit Russland und die USA, die Länder mit geraden Linien aufteilen würden wie vor 100 Jahren in Afrika. Viele gescheitere Ampel-Politiker nutzten das Wörtchen Imperialismus sehr gerne, wenn es gegen Russland und China ging.
Wikipedia weist allerdings darauf hin, dass Imperialismus mehr als Kolonialismus sei: „Als Imperialismus bezeichnet man das Bestreben eines Staatswesens beziehungsweise seiner politischen Führung, in anderen Ländern (…) politischen und wirtschaftlichen Einfluss zu erlangen, bis hin zu deren Unterwerfung und zur Eingliederung in den eigenen Machtbereich.“
Auf den ersten Blick scheint das einleuchtend. Vor allem, wenn man auf die Zeit zwischen 1870 und 1914 blickt, die im Geschichtsunterricht als Imperialismus bezeichnet wird. Doch woher kommt „das Bestreben“, andere Länder zu unterwerfen? Es kann nicht an der Regierungsform gelegen haben, Britannien war eine konstitutionelle Monarchie, Frankreich eine Präsidialrepublik, Deutschland und Österreich hatten ihre Kaiser und Russland seinen Zaren. Die Politik, die von den unterschiedlichen Ländern gemacht wurde, ähnelte sich viel mehr, als ihre politischen Systeme auf den ersten Blick erahnen ließen.
Vor diesem Problem stand am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert auch die Arbeiterbewegung.
Als Marxisten suchten die Sozialdemokraten die Ursachen der Politik nicht im Charakter oder den Überzeugungen dieses oder jenes Politikers, sondern in der wirtschaftlichen Entwicklung. Rudolf Hilferding (SPD) war einer der ersten, die auf wesentliche Veränderungen im Kapitalismus hinwiesen. Durch die kapitalistische Konkurrenz sind viele Unternehmen untergegangen, einige wenige dafür zu riesigen Konzernen geworden. Sie nehmen eine marktbeherrschende Rolle ein. Investitionen erfordern allerdings immer größere Summen, so dass die Banken eine neue Stellung bekommen. Lenin griff diese Überlegungen für seine Imperialismustheorie auf.
Bank- und Industriekapital haben sich gegenseitig durchdrungen, sind verschmolzen. Riesige Konzerne und Aktiengesellschaften bestimmen die Wirtschaft. Lenin nannte sie Monopole. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht erreichen sie politische Macht, die sie nutzen, um ihre Gewinne zu Lasten der arbeitenden Menschen und anderer Unternehmen zu steigern.
Ins Ausland verkaufen die Monopole nicht nur ihre Waren, sondern sie sind in der Lage, Konzerne in anderen Ländern aufzukaufen oder dort Tochtergesellschaften zu gründen. Damit können sie sich andere Länder und Völker untertan machen. Das sind die Vorgänge, die im Schulunterricht in Bezug auf die Zeit der Aufteilung Afrikas und Asiens als Imperialismus bezeichnet werden: Die imperialistischen Staaten Europas und die USA teilten im Interesse ihrer Monopole die Welt in ihre Einflussbereiche auf.
Ist die Welt einmal aufgeteilt, können die Monopole jedoch nicht damit aufhören zu versuchen, ihren Einflussbereich auszuweiten. Sie müssen sich dann auf Kosten anderer Monopole weiter bereichern. Tun sie dies nicht, gehen sie unter. Dafür brauchen sie imperialistische Staaten und ihre Armeen. Die Monopole müssen den Krieg wollen, damit sie Monopole bleiben. Der grausame Höhepunkt der Entwicklung des Imperialismus waren die beiden Weltkriege, an dem die Monopole selbst im Land des Kriegsverlierers Deutschland sehr gut verdient haben.
Wenn sich die Monopole die gesamte Welt untertan machen, geht das gegen die Interessen der Mehrheit. Sie brauchen den Staat nicht nur für ihre Kriege, sondern auch für die Aufrechterhaltung ihrer Macht. Dazu setzen sie auf Manipulation. Wo diese nicht reicht, wird unterdrückt.
Wenn Habeck von Imperialismus spricht, dann will er den Eindruck erwecken, die Politik würde durch Politiker bestimmt. Die anderen haben böse Absichten, während man selbst ins Lager der Guten gehört.
Das Handeln aller deutschen Regierungen innerhalb der EU war immer auf die Verbesserung der Stellung der deutschen Monopole ausgerichtet. Seit der Krise 2008 haben sie sich auf Kosten der Völker und der Monopole der anderen europäischen Staaten bereichert. Das führte zu enormen Gewinnen bei deutschen Banken und Konzernen, aber auch zu Konflikten, die wir in der EU beobachten.
Ähnliches gilt im Verhältnis zu Russland. Es lieferte billiges Gas und Konzerne und Banken konnten dort gute Gewinne machen. Nachdem die russische Regierung der Ausweitung der EU und NATO in Richtung ihrer Staatsgrenzen nicht länger willenlos zusah, wurde die Politik geändert. Auch gegenüber China wurde eine ähnliche Politik gemacht – von allen deutschen Regierungen. Solange die Monopole dort ihre Profite machen konnten und China der imperialistischen Politik nicht im Weg stand, suchten Politik und Wirtschaft die Zusammenarbeit. Seit China keine untergeordnete Stellung mehr einnimmt und vor allem in Afrika und Asien eine Politik der wirtschaftlichen Entwicklung betreibt, wird die Volksrepublik mit dem Imperialismus-Vorwurf belegt.
US-Präsident Donald Trump wird von Habeck als Imperialist geschmäht, weil er auf die Werterhetorik verzichtet, die die Grünen so gerne verwenden. Während Trumps Amtsvorgänger Joseph Biden die Zerstörung der Nord-Stream-Pipeline verklausuliert ankündigte, droht Trump unverblümt mit allen Mitteln zur Durchsetzung seiner imperialistischen Politik.
Die neue US-Regierung ändert die bisherige Taktik, weil sie Entwicklungen realistischer einschätzt: Der Versuch, die Ukraine unter Inkaufnahme eines Krieges in den eigenen Machtbereich einzugliedern und gleichzeitig Russland zu schwächen, ist gescheitert.
Ihre Niederlage können sich die europäischen Politiker nicht eingestehen. Gerade der Einsatz der deutschen Monopole war hoch: Sie haben die günstige Gasversorgung durch Russland aufgegeben und ihnen droht, zum großen Verlierer zu werden. Der US-Imperialismus versucht derzeit erfolgreich, die Kosten der Niederlage auf die Monopole aus Europa abzuwälzen.
Deshalb wurde uns vor der Bundestagswahl viel von Werten und Brandmauern erzählt, um direkt danach ein gigantisches Aufrüstungsprogramm auf den Weg zu bringen. Daran wollen sich die deutschen Monopole bereichern. Gleichzeitig brauchen sie den Krieg, um ihre Niederlage zu verhindern. Die Bevölkerung – nicht nur in Deutschland – bezahlt das mit ihrem Lebensstandard.