Bislang sah es so aus, als müsse das deutsche Verteidigungsministerium mit dem Kauf von F-18-Kampffliegern, die fähig sind, Atombomben zu tragen und abzuwerfen, mit Rücksicht auf die Sozialdemokraten bis nach den Bundestagswahlen warten. Doch kürzlich urteilte der gewöhnlich gut informierte „Behördenspiegel“, es gebe Indizien, dass der Ankauf noch in dieser Legislaturperiode in trockene Tücher gebracht werden solle. Anfang Februar meldete auch das „Handelsblatt“, das Verteidigungsministerium habe dem Bundestag 51 Rüstungsprojekte zur Abstimmung noch vor den Wahlen im September übermittelt. Bei 15 weiteren Projekten – darunter die Tornado-Nachfolge – sei die Finanzierung derzeit noch „nicht gesichert“, dennoch würden sie noch vor der Sommerpause dem Haushaltsausschuss vorgelegt.
Das klingt tatsächlich danach, als gehe es hier um die Anschaffung der Kampfflugzeuge für die Nukleare Teilhabe. Sollte dies der Fall sein, wird sich zeigen, ob die Sozialdemokratie nach der Entscheidung, Gelder zum Bau einer Eurokampfdrohne zu bewilligen, in kürzester Zeit eine weitere ihrer wenigen sinnvollen friedenspolitischen Positionen über Bord wirft.
In fünf europäischen Ländern lagern im Rahmen der Nuklearen Teilhabe US-Atomwaffen. In Deutschland sind es wohl 20 im rheinland-pfälzischen Büchel, die im Ernstfall von deutschen Flugzeugen und Piloten ins Ziel gebracht würden. Diese US-Atomwaffen sollen in Kürze für etwa 10 Milliarden Dollar „modernisiert“ werden, um danach als Lenkwaffen zielgenauer und durchschlagsfähiger einsetzbar zu sein. Dies verleiht der Entscheidung über die Nachfolge der Tornado-Kampfflugzeuge für die Bundeswehr zusätzliche Bedeutung.
Die Tornados sind in die Jahre gekommen, ihre Wartung wird immer kostspieliger. Aus diesem Grund will das Verteidigungsministerium sie lieber heute als morgen ersetzen. Bereits im April 2020 legte es sich fest, es bevorzuge unter den verschiedenen kursierenden Optionen die Anschaffung von 93 Eurofightern und insgesamt 45 F-18-Bombern von Lockheed Martin. 30 davon sollen die Aufgaben im Rahmen der Nuklearen Teilhabe übernehmen.
Für den Fall, dass die SPD Rückgrat zeigen sollte, haben die Grünen bereits mit einer intensiven Debatte begonnen, ihre Positionen zur Nuklearen Teilhabe zu begradigen. Im Grünen-Grundsatzprogramm vom November 2020 hieß es noch, es brauche „ein Deutschland frei von Atomwaffen und damit ein zügiges Ende der Nuklearen Teilhabe“. Dementgegen äußerte zum Beispiel Tobias Linder, Grüner Obmann im Verteidigungsausschuss, vielleicht öffne sich „2030 bis 2035“ ein Fenster zum Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. Für fast noch mehr Wirbel sorgte ein am 20. Januar veröffentlichtes NATO-Pamphlet namens „Transatlantisch? Traut Euch!“, das aus der Feder von Ellen Ueberschär stammt. Die Theologin sitzt auf einem von zwei Vorstandsposten der Grünen-nahen Böll-Stiftung. In dem Papier wird sogar eine massive Aufrüstung gefordert, deren „Belohnung“ durch die USA in der Beibehaltung der Nuklearen Teilhabe bestehen solle.
Hintergrund für die Klimmzüge dürften Aussagen unter anderem von CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephuhl sein, der schon Mitte Januar unterstrich, eine schwarz-grüne Koalition könne nach den Wahlen nur bei einem klaren Bekenntnis zur Nuklearen Teilhabe zustande kommen. Im „Tagesspiegel“ hieß es dazu: „Die Union hat ein Bekenntnis der Grünen zur Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland und zur Nuklearstrategie der NATO zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung der Ökopartei nach der Bundestagswahl erklärt. … Jenseits des Streits um Atomwaffen lobte CDU–Mann Wadephul die Grünen und kritisierte im gleichen Atemzug die Entwicklung des sozialdemokratischen Koalitionspartners. ‚Die Grünen unterscheidet von der SPD, dass sie unideologisch an Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik herangehen‘, sagte er.“
Man darf also gespannt sein, wie sich die Diskussion um die Tornados vor und nach der Bundestagswahl entwickeln wird.