Seit dem 1. Januar gelten die neuen Regelungen zur Festsetzung und Erhebung der Grundsteuern, gemäß den von der damaligen Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD eingebrachten und mit den Stimmen der „Opposition“ aus FDP und Grünen im Oktober 2019 verabschiedeten Gesetzen. Kaum eine Kommune hat bis dato neue Bescheide verschickt, aber es ist klar, dass das Wohnen stärker belastet werden wird als bisher. Eigner von Gewerbegrundstücken werden hingegen entlastet. So befürchtet der Verband Haus & Grund eine durchschnittliche Steigerung von 116 Prozent, also mehr als eine Verdoppelung, in Spitzenfällen drohen Erhöhungen sogar bis zu 996 Prozent. Dem stehen Entlastungen von bis zu 90 Prozent bei Gewerbeimmobilien entgegen, wie zum Beispiel in Bad Kreuznach, wo der Messwert einer Gewerbeimmobilie von bisher 1.253 Euro auf 128 Euro gesenkt wird. Beim selben Hebesatz von 550 Prozent sinkt Grundsteuer B hier von 6.890 Euro auf 702 Euro, also um fast 90 Prozent. Was der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz nur als einen „Webfehler“ sehen will, entpuppt sich als weitere Umverteilung von unten nach oben, als eine faktische Subventionierung der Wirtschaft durch die Eigner selbst bewohnter Häuser und vor allem durch die Mieter.
Bei den neuen Messwerten für Wohnhäuser gehen unter anderem der stark von der Lage beeinflusste Grundstückswert und unterstellte mögliche Mieteinnahmen ein. Der Wert eines Hauses liegt für Besitzer selbst bewohnter Gebäude aber in deren Gebrauchswert, zum Beispiel der Möglichkeit, bis ins hohe Alter mietfrei wohnen zu können. Steigende Marktwerte und theoretisch höhere erzielbare Mieten, beispielsweise im Zuge von Gentrifizierungen, steigern den Gebrauchswert um nichts, werden aber de facto als reales Einkommen versteuert. Anders bei privaten Miethaien, wo tatsächliche Mieteinnahmen die Profite ebenso steigern wie Verkäufe, bei denen spekulative Steigerungen von Immobilienwerten zu Geld gemacht werden. Die steigenden Grundsteuern werden hier aber nicht von den Profiteuren bezahlt, sondern auf die Mieter abgewälzt als Mietnebenkosten.
In falscher Sicherheit gewiegte Hausbesitzer und Mieter glaubten lange, die Reform werde für sie aufkommensneutral bleiben. Gemeint war bei diesem Versprechen aber nicht ihre Belastung, sondern die von der Kommune erhobene Summe der Grundsteuern. Wie aus obigen Zahlen ersichtlich ist, müssen die Mieter und Eigenheimbesitzer nun die Entlastung der Gewerbetreibenden bezahlen. Deshalb hat die rheinland-pfälzische Ampel-Regierung im Oktober veröffentlicht, welche zumeist höheren Hebesätze die Kommunalparlamente beschließen sollen. Dabei kommt es dann dazu, dass im reichen Ingelheim, Sitz des Pharmakonzerns Boehringer, dank eines empfohlenen Hebesatzes von 81 eine Immobilie mit dem Messwert 100 mit lediglich 81 Euro jährlich belastet wird. In Pirmasens aber, nach dem Zusammenbruch der Schuhindustrie und einem Bevölkerungsrückgang von 60.000 auf 40.000 Menschen das Armenhaus von Rheinland-Pfalz, 1.026 Euro. Hier wird sich vom Verfassungsauftrag, annähernd gleiche Lebensverhältnisse überall im Land zu schaffen, endgültig verabschiedet.
Die CDU in Rheinland-Pfalz unter Julia Klöckner wirft der Mainzer Ampel nun vor, das Gesetz, an dem sie selbst als damalige Bundesministerin beteiligt war, übernommen zu haben. Ein Stück aus dem Tollhaus! SPD, Grüne und FDP brachten ein Landesgesetz auf den Weg, das den Kommunen die Erhebung differenzierter Hebesätze für Gewerbe- und Wohnimmobilien erlauben soll. Dagegen laufen nun Klassenorganisationen wie der Verband der Industrie- und Handelskammern Sturm. Sie sehen schon in weniger Steuergeschenken als geplant eine unzumutbare Belastung ihrer Klientel und drohen „mit negativen Auswirkungen auf Investitionen und Arbeitsplätze“.
Damit schiebt die Landesregierung den Kommunen den schwarzen Peter zu, die dann zugunsten der Mieter gegen die Unternehmer Veränderungen umsetzen könnten. Wer die realen Kräfteverhältnisse in den Kommunen kennt, weiß, wie dieses „Rennen“ zumeist ausgehen wird. Zumal es bis dato noch keine breitere Bewegung dafür gibt, diese Grundsteuerreform in die Tonne zu treten.