Saudi-Arabien kann bei der Unterdrückung seiner Opposition, die am Wochenende in einer Massenexekution kulminiert ist, deutsche Repressionstechnologie und von der deutschen Polizei vermittelte Fähigkeiten nutzen. In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung die Lieferung von Produkten zur Telekommunikationsüberwachung im Wert von mehr als 18 Millionen Euro an Riad genehmigt. Das Bundeskriminalamt hat unter anderem für den saudischen Geheimdienst GID eine Schulung zur Terrorismusbekämpfung durchgeführt. Als „Terrorismus“ definiert Saudi-Arabien auch nicht gewaltförmigen Protest der stark diskriminierten schiitischen Minderheit im Land. Die Bundespolizei bildet in einem offiziellen Projekt, das der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im Mai 2009 formal abgesegnet hat, saudische Grenzschutz-Offiziere aus. Berichten zufolge werden dabei auch der Umgang mit Sturmgewehren sowie das Vorgehen gegen Demonstranten trainiert. Involviert war zumindest zeitweise auch die saudische Religionspolizei. Die Repressionskooperation ist eingebunden in eine umfassende ökonomische Zusammenarbeit, die deutschen Unternehmen großen Absatz und Milliardenaufträge garantiert. Vor allem aber folgt sie strategischen Zielen der Berliner Mittelostpolitik.
Nach der Massenhinrichtung vom Wochenende halten die internationalen Proteste gegen die blutige Repression in Saudi-Arabien an. In dem Land sind am Samstag 47 Menschen durch Erschießung oder Enthauptung exekutiert worden, darunter überwiegend Mitglieder von Al Kaida, von denen zahlreiche wegen mörderischer Terroranschläge verurteilt wurden, aber auch vier Aktivisten der schiitischen Opposition, darunter der überaus populäre Prediger Nimr Bakir al Nimr. Al Nimr galt als einer der einflussreichsten Anführer der saudischen Schiiten, einer Minderheit, die schon seit Jahrzehnten über ihre Diskrimierung in Saudi-Arabien klagt; die saudische Staatsreligion, der Wahhabismus, ist weitgehend mit dem Salafismus identisch, derjenigen Strömung des Islam, die auch dem Dschihadismus von Zusammenschlüssen wie dem „Islamischen Staat“ (IS/Daesh) zugrunde liegt und die die Schiiten als „Gottlose“ behandelt.
Bekannt ist, dass das größte in Deutschland verzeichnete Geschäft mit Saudi-Arabien in Sachen Überwachungstechnologie wohl nicht ohne staatliche Unterstützung zustande gekommen wäre. Als der deutsch-französische Airbus-Konzern 2009 den Auftrag erhielt, die saudischen Außengrenzen auf der gesamten Länge von etwa 9 000 Kilometern mit modernstem Gerät hochzurüsten, begann die Bundespolizei zeitgleich mit einem langfristig angelegten Projekt zur Ausbildung saudischer Grenzer, von dessen Zustandekommen Riad den Auftrag an Airbus abhängig gemacht hatte. Offiziellen Angaben zufolge werden saudische Grenzschutz-Offiziere auf Feldern wie „Personalführung“ oder „polizeiliche Entscheidungsprozesse“ geschult. Vor Ort eingesetzte Beamte beklagten allerdings schon vor Jahren, ihre Aufgaben gingen deutlich darüber hinaus; sie umfassten etwa auch Waffentraining. Im September wurde berichtet, allein zwischen April und Juni 2015 seien 19 Bundespolizisten in Saudi-Arabien im Einsatz gewesen. Das Bundesinnenministerium erklärt dazu: „Die deutsche Unterstützung bei der Modernisierung des saudi-arabischen Grenzschutzes ist Teil einer strategischen Partnerschaft im Sicherheitsbereich“.