Von Quotenschwarzen und Dosenbier

Bluff gelungen

Es gibt sie ja, diese T-Shirts, auf denen stolz steht: „Warum ich ohne Akku fahre? Weil ich‘s kann!“ Nun, bisher hatte ich keines dieser Kleidungs-utensilien und nun wäre es doppelt gelumpt, wenn ich eines tragen würde. Bin ich doch seit letzter Woche Besitzer eines sogenannten E-Bikes. Noch dazu eines E-Bikes, dem man das „E“ gar nicht ansieht. Und so ziehe ich überheblich winkend bergan am Jungvolk vorbei und hinterlasse wohl heimliche Respektbekundungen ob meines Fitnesszustandes. Dabei schiebt mich ab jetzt ein kleiner, fast unsichtbarer Hinterradmotor durchs Leben. Bluff gelungen.

Jens Lehmann, ehemaliger Spieler von Schalke und Dortmund, nun Aufsichtsratsmitglied von Hertha BSC, bezeichnet Dennis Aogo als „Quotenschwarzen“. Frei nach dem Motto: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen?! Die Berliner schmeißen ihn – huch! – wacker raus. Dabei ist Lehmann kein Unbekannter: Er fiel bereits mit üblen Sprüchen gegen Homosexuelle und mit Coronaverirrungen der besten Sorte auf. Warum ihn die Hertha überhaupt anstellte? Keine Ahnung. Entweder sind die strunzdumm, oder: Bluff gelungen.

Die Welt treibt seltsame Blüten. Eine Freundin gibt mir die Adresse einer Ärztin, bei der man eine schnelle Impfung bekäme. Ich google die Adresse. Nun bin ich ja sowieso kein Vordrängeltyp, aber: eine Gynäkologin?! Ich glaube, nicht mehr in diesem Leben.

In Berlin wird ein Arbeitsloser festgenommen, er ist der „NSU 2.0“-Täter. Der Mann soll seit August 2018 bundesweit eine Serie von Drohschreiben mit volksverhetzenden Inhalten verschickt zu haben. „Laut Ermittlern erscheint es naheliegend, dass sich der Mann am Telefon als Behördenmitarbeiter ausgab, um bei verschiedenen Polizeirevieren nicht öffentlich zugängliche Personendaten für die Drohschreiben zu erfragen.“ Sekunde mal. Da ruft irgendein wildfremder Horst bei den Cops an und die geben dem dann einfach sensible Daten besonders geschützter Personen? Völlig ohne Hintergedanken? Oder überhaupt Gedanken? Da glaube ich nun so ziemlich alles, nur eines nicht: Bluff gelungen.

Wörter. Ein Kandidat für das Unwort des Jahres ist „Öffnungsrausch“. Versteh ich nicht. Wäre doch fein. Das erste Mal wieder mit dem Gartenbro zum Billard in die Stammkneipe und danach so einen kleinen … also klitzekleinen … na, ihr wisst schon.

Grüne. Oder so. „Gewaltsam auf Polizistinnen und Polizisten loszugehen ist kriminell und in keinster Weise akzeptabel.“ Das fällt der Annalena ein, wenn es um den 1. Mai in Berlin geht. Wer sich allerdings Videos anschaut, z. B. auf der Seite der „jungen Welt“, sieht so ziemlich das Gegenteil: Beamte, die entfesselt auf Demonstrantinnen und Demonstranten einschlagen. Ich hab‘s schon mal gesagt, kommen die Grünen an die Macht, heißt es in den politischen Hinterzimmern: Bluff gelungen.

Bald ist schon wieder mein Purzeltag. Ich werde dieses schlimme Ereignis trotzdem feiern, 50 Freunde einladen und Freundinnen auch, Grillen und Trinken und Tanzen und Singen. Tolle Einladungskarten werde ich layouten und den Garten mit 2000 Pappmaché-Rotkehlchen dekorieren. Und dann setz ich mich rein in das grüne Paradies. Und wenn tatsächlich jemand so dumm ist, in Feierverbotszeiten zu erscheinen, hab ich nur grausam warmes Dosenbier und Musik von Helene Fischer und den Toten Hosen. Und vegane Wurst. Und sage feist grinsend: Bluff …

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"Bluff gelungen", UZ vom 14. Mai 2021



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