In Dülmen, bisher eher bekannt durch seine Wildpferde, sind die Friedenstauben wieder im Kommen und die „große Politik“ wird wieder Stadtgespräch. Am 22. März hatten DGB-Ortsverband und evangelische Kirchengemeinde zu einer Kundgebung eingeladen, mit der nicht nur an die Bombennächte 1945, ihre Opfer und Ursachen erinnert wurde.
Rund 130 Dülmener (m+w) kamen, deutlich mehr als zum „runden“ Gedenken im Jahr 2015. Unter den TeilnehmerInnen, auch gut 30 Kriegsflüchtlinge. Als Hamid Alhaw, betroffener und von Abschiebung bedrohter Syrer seine beeindruckende Friedensbotschaft verlas – erst auf Arabisch, dann auf Deutsch – war es mucksmäuschenstill, genauso wie bei dem Dülmener Rudi Kissenkötter, der auf Plattdeutsch ein Gedicht über den Schrecken der Bombennächte vortrug. Aus tiefster Seele sprach der evangelische Pfarrer Zarmann manchem Friedensbewegten, als er dem legendären Spruch von SPD-Altkanzler Helmut Schmidt energisch widersprach „Wer eine Vision hat, soll zum Arzt gehen“. Denn von der Vision einer sozial gerechten, friedlichen Welt – „im Diesseits, nicht im Jenseits“ wie er betonte – dürften sich die Menschen bei allen Unterschieden in Herkunft, Glauben und Weltanschauung zu Recht nicht abbringen lassen.
Als der DGB-Ortsvorsitzende und engagierte Heimatforscher Ortwin Bickhove-Swiderski über die Gründe für die Bombardierung Dülmens sprach, schlug er den Bogen zur Gegenwart und lud Friedensinteressierte für den 23. März zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung des DGB ins Kolpinghaus. Denn nicht nur damals war Dülmen ein Verkehrsknotenpunkt von militärischer Bedeutung, mit der Sprengstoffproduktion der WASAG-Werke südlich der Stadt und unterirdischen Tanklagern der Nazi-Luftwaffe im Osthofer Wald.
Heute findet besonders die US-Army die optimale Lage und Anbindung der ehemals britisch besetzten Tower Barracks in Dülmen höchst nützlich für ihr militärisches Abschreckungskonzept gegenüber Russland. Ab April sollen dort – wie berichtet – Panzer, Haubitzen und weitere Kriegsausrüstung bereitgehalten werden. Eine Maßnahme, die laut US-Army in direktem Zusammenhang mit der „European Reassurance Initiative“ (ERI) steht, sowie dem Vorrücken aktiver, beweglicher und z. B. im Irak-Krieg erprobter Kampfverbände an die Ostflanke der NATO, sprich: die Westgrenze Russlands.
Genau das macht immer mehr Dülmener BürgerInnen Sorge. „Wir möchten nicht, dass ein nächster Russlandfeldzug geplant wird und schon gar nicht vor unserer Haustür“, meint der Dülmener Michael Stiels-Glenn gegenüber dieser Zeitung. Er und seine aus den USA stammende Frau Penelope hatten mit zahlreichen Briefen an Lokalpolitiker und Militärs um Auskunft gebeten, kritische Fragen gestellt, Leserbriefe an die Lokalzeitung geschrieben und selber im Internet recherchiert, was z. B. in US-amerikanischen Militärzeitschriften zu den Tower-Barracks-Plänen veröffentlicht wurde. Sie haben via Facebook und E-Mail MitstreiterInnen gesucht. Und gefunden.
„Mögen Lokal-, Landes- und Bundespolitiker in Dülmen, Düsseldorf und Berlin vor wenigen Wochen noch davon geträumt haben, sie könnten den Einzug der US-Army mit ihrer Kriegsausrüstung in aller Stille durchwinken, aus dem Landtagswahlkampf heraushalten oder als völlig harmlosen Mieterwechsel verkaufen, der neue Arbeitsplätze, Kaufkraft und nette neue Nachbarn nach Dülmen bringe… der Traum ist ausgeträumt“, meint Michael Stiels-Glenn.
Kommunalpolitische Konversionspläne, den Stützpunkt Tower Barracks zivil zu nutzen z. B. für einen Gewerbepark oder ein Logistik-Zentrum, seien zwar vorerst vom Tisch. Aber dafür stehe ab 7. April eine bunte Truppe Friedensbewegter mit einer neu gegründeten Friedensinitiative auf der Matte, parteiübergreifend organisiert, heimatverbunden hochmotiviert, gut vernetzt und mit guten Aktionsideen für den Frieden – auch mit Russland.