Berliner Innensenator Henkel (CDU) lässt die Polizei Wahlkampf machen

„Blasser Typ“ mit Hass auf Linke

Von Nina Hager

Nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September will Frank Henkel Regierender Bürgermeister von Berlin werden. Für dieses Ziel arbeitet der CDU-Spitzenkandidat mit allen Mitteln. Aber bislang – wie Umfragen zeigen, bei denen seine Partei zwischen 18 und 20 Prozent liegt – nicht sehr erfolgreich.

„Die meiste Zeit der im September endenden Legislaturperiode war der Union-Landeschef und Innensenator einfach ein blasser Typ, der genau wie seine CDU-KollegInnen im Berliner Senat wenig gebacken kriegte“, schrieb Bert Schulz am 21. Juli in der „taz“. Als „blassen Typen“ kann man Henkel nach den letzten Wochen nicht mehr bezeichnen.

Im Herbst 2012 war er wegen Verstoßes gegen die vom Verfassungsschutzgesetz vorgeschriebene Auskunftspflicht in die Kritik geraten. Die Opposition im Abgeordnetenhaus wurde erst Anfang November davon unterrichtet, dass am 29. Juni Akten des Verfassungsschutzes zum „Rechtsex­tremismus“ rechtswidrig geschreddert worden waren. Die Akten seien „aus Versehen“ vernichtet worden. Auch der Sitz im Aufsichtsrat des BER, dessen Fertigstellung nach wie vor „in den Sternen“ steht, tat Henkel nicht gut.

Zuletzt musste der Innensenator vor allem wegen der massiven Polizeieinsätze in der Friedrichshainer Hausprojekt „Rigaer 94“, ja der regelrechten Belagerung des Hauses, Widerspruch und scharfe Kritik hinnehmen. Das hat ihn bekannter gemacht, aber nicht beliebter. Widerstand vor Ort und Gegendemonstrationen diffamierte Henkel pauschal als „linksextreme Gewalt“, die nicht hinzunehmen sei und die eine neue Qualität erreicht habe.

Henkel (Jahrgang 1963), der im Osten Berlins aufgewachsen ist und 1985 mit seinen Eltern die DDR verließ, nach Westberlin übersiedelte und gleich in die Junge Union eintrat, ist kein Waisenknabe, wenn es um „Linke“ geht.

2008 forderte er, mit seiner Partei in Berlin noch in der Opposition, die Beobachtung der damals in Berlin mitregierenden Linkspartei durch den Landesverfassungsschutz. „Die Letzten, die in unserer Republik die Systemfrage gestellt haben, waren die Terroristen der RAF“, sagte Henkel damals als Berliner CDU-Generalsekretär der „Morgenpost“. „Insofern liegt die Linke ganz offensichtlich in dieser inhaltlich-programmatischen Tradition. Ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist deshalb schon mehr als gerechtfertigt.“

Heute ist er da zwar vorsichtiger, aber immer, wenn in Berlin Autos brennen, sieht der Innensenator „linke Gewalt“ und „linken Terror“. Auch dann, wenn polizeiliche Ermittlungen letztlich anderes ergeben.

Am 22. Juni räumten Bauarbeiter des Hauseigentümers die Szenekneipe „Kaderschmiede“ im Erdgeschoss des Hauses „Rigaer 94“. Die Bauarbeiter wurden von 300 Polizisten geschützt. Der damalige Rechtsanwalt des Hauseigentümers hatte die Polizei um diesen Schutz gebeten, diese hatte ihm offenbar Ratschläge gegeben, wie ein entsprechender Antrag formuliert werden muss.

Im Zusammenhang mit der Räumung erklärte Henkel auf Nachfrage von Christopher Lauer (Piraten), er wolle keine „Rückzugsräume für Gewalttäter“ dulden und werde nicht „den Einsatz der Polizei gegen Gewalttäter infrage stellen“. Was in der Rigaer Straße geschehe, sei nichts weiter als „der Versuch, einen rechtsfreien Raum zu schaffen, im Grunde eine No-Go-Area für Polizeibeamte“.

Der innenpolitische Sprecher der Partei „Die Linke“ im Berliner Abgeordnetenhaus, Hakan Tas, stellte am 21. Juli in einer Presseerklärung fest: „Statt eines Räumungstitels genügte der Polizei der Wunsch des Immobilieninvestors.“ Somit sei „klar, wer für die Eskalation in der Rigaer Straße eine wesentliche Verantwortung trägt.“ Nicht nur die Linkspartei forderte Gespräche statt einer weiteren Eskalation; für Henkel und – nach einigem Zögern – den Rest des Berliner Senats ist das bislang keine Option.

Am 13. Juli wertete das Landgericht die Räumung der „Kadterschmiede“ als rechtswidrig. Der Eigentümer, über den die Behörden lange angeblich nichts wussten, hatte keinen Räumungstitel erwirkt. Doch nach Recherchen des „Spiegel“ weiß die Polizei seit Ende Juni, wer Eigentümer des Hauses ist: Es soll sich um einen polizeibekannten Ukrainer handeln, der auch als Geschäftsmann einen zweifelhaften Ruf hat.

Zwei Tage nach der Gerichtsentscheidung legte Henkel auf dem Wahlparteitag der CDU nach. Nach einem Brandanschlag auf ein Auto vor seiner Haustür fühlte sich der Rechtsanwalt des lange unbekannten Hausbesitzers der Rigaer Straße 94 bedroht und legte sein Mandat nieder. Henkel reagierte: „Falls der Anschlag wirklich der Einschüchterung eines Anwalts gedient hat, dann sind das Mafia-Methoden in unserer Stadt. Dann sind das Methoden von SA und SS. Dies dürfen wir niemals zulassen.“

Auf der Sondersitzung des Innenausschusses am 21. Juli gab Innensenator Henkel keine Antworten auf die entscheidenden Fragen zum Einsatz in der Rigaer Straße 94 und seinem eigenen Verhalten. Nicht nur Politiker der Linkspartei vermuten, dass der Innensenator die Polizei – vielleicht mit Billigung der Polizeiführung – für den Wahlkampf missbraucht hat. Die CDU wirbt im Wahlkampf mit einem Plakat, auf dem Frank Henkel für Berlin mehr „Innere Sicherheit“ fordert.

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"„Blasser Typ“ mit Hass auf Linke", UZ vom 12. August 2016



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