Innenpolitisch nannte der SPD-Parteitag vor allem zwei Ziele: Investitionen und Mindestlohn rauf. Alles andere wurde so formuliert, dass es in Kompromissen versacken kann. Beispiel Vermögensteuer, im Bundestagswahlkampf 1998 ein Schlager Gerhard Schröders: Die damals 21 Millionen SPD-Wähler warten heute noch drauf. Das hielt die FAZ nicht ab, ihren Wirtschaftsteil am Montag mit einem Alarmruf zu eröffnen: „Den Reichen nehmen, den Kindern geben.“ Das ist selbstverständlich Quatsch, was die FAZ auch weiß. Der Satz des „älteren, leicht besoffenen Herrn“ Kurt Tucholskys gilt heute noch. Wo 1930 als Grund, SPD zu wählen, noch „Revolutzjon“ stand, müsste es 2019 heißen: „Man tut wat for de Vermögensteuer, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich. Und das is sehr wichtig fier einen selbständjen Jemieseladen!“
Statt Umverteilung von oben nach unten gab es von der Schröder-SPD die „Agenda 2010“, das heißt eine Turboakkumulation von Reichtum und Armut. Das war allerdings zugleich ein Destabilisierungsprogramm für den Kapitalismus und dessen Industrie. Das Ergebnis: Immer weniger Arbeiter wählen Sozialdemokratie, nicht nur hierzulande. Was nicht per se erfreulich ist.
Soweit blieb aber alles im gewohnten Rahmen. Der Skandal kam am Ende des Parteitages: Sonntag, 14 Uhr, ein Holterdiepolter-Beschluss zu Krieg, Frieden und Außenpolitik – zusammengefriemelt, als sei er im NATO-Hauptquartier geschrieben. Der Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999: Glatt vergessen. Schröder wird als Nachfahre Willy Brandts erwähnt, er habe „klare Positionen zur Nichtbeteiligung am Irakkrieg“ gehabt. Und: Fünf Monate vor Beginn des größten NATO-Truppenverlegungsmanövers Richtung russische Grenze seit 25 Jahren, bei dem Deutschland zentrale Drehscheibe für 20 000 über den Atlantik geholte US-Soldaten sein wird, heißt es hier in frommer Äquidistanz: Die Großmächte USA, China und Russland „rivalisieren“ in einem neuen Wettbewerb um Macht und Einfluss. So kann man es nennen, wenn eine imperialistische Räuberbande, die 60 Prozent des Weltrüstungs- und -kriegsetats aufbietet, militärischem Größenwahn erliegt. Vier Tage nach dem NATO-Gipfel in London, der den Weltraum zum Kampfgebiet und China zum Feind erklärt hat, stellt sich die SPD blind und taub.
Über Kriegskredite wie weiland 1914 wird sie nicht mehr debattieren müssen. Ihr Parteitag hat einen Blankoscheck für Hochrüstung und Krieg unterschrieben.