Russland warnt vor „schmutziger Bombe“ Kiews

Bis zum Äußersten

Es war offenbar ein Stich ins Wespennest: Am Freitag und am Sonntag telefonierte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin. Am Sonntag sprach er zudem mit dem französischen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, dem britischen Minister Ben Wallace und seinem türkischen Kollegen Hulusi Akar. Das russische Verteidigungsministerium teilte danach mit, Schoigu habe erklärt, Kiew plane zur Diskreditierung Moskaus mit Unterstützung westlicher Länder die Zündung einer radioaktiven Bombe. Der Chef des russischen Generalstabs, Waleri Gerassimow, sprach zugleich mit seinen Amtskollegen in den USA und in Britannien. Das Ministerium betonte, die Lage in der Ukraine spitze sich immer stärker auf eine „unkon­trollierte Eskalation“ hin zu.

Nach seinen Angaben sind das Institut für Nuklearforschung in Kiew und das Östliche Bergbau- und Aufbereitungskombinat in der Stadt Scholtyje Wody an den Vorbereitungen beteiligt. Kiew wolle einen Behälter mit einer Sprengladung und Isotopen wie Uranoxid zünden. Diese Substanz findet sich in den abgebrannten Brennelementen von Kernkraftwerken. Die Druckwelle kann den Behälter zerstören und radioaktive Partikel über eine Fläche von bis zu mehreren tausend Quadratmetern verteilen. Der Vorfall solle als Fehlfunktion russischer hochangereicherter Uranmunition getarnt werden.

London, das im April einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine torpediert hatte, behauptete nach den Gesprächen, Britannien wolle den Konflikt in der Ukraine deeskalieren, Das Pentagon betonte, man schenke den Warnungen keinen Glauben. Das Weiße Haus zeigte sich jedoch besorgt über die Berichte Russlands.

Noch am Sonntag fanden Gespräche zwischen den Verteidigungsministern der USA, Britanniens und Frankreichs statt. Sie wiesen in einer gemeinsamen Erklärung „die offensichtlich falschen Behauptungen“ zurück. Zusätzlich sprach NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit Vertretern Washingtons und Londons.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wies auf einer Pressekonferenz am Montag jedoch darauf hin, dass die öffentlichen Erklärungen der westlichen Länder nicht auf eine leichtfertige Haltung gegenüber den Informationen von russischer Seite schließen lassen. Er kündigte an, das Thema in internationalen Gremien zur Sprache zu bringen, insbesondere bei den Vereinten Nationen. Am Dienstagabend (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ) sollte nach „TASS“-Informationen dazu eine nichtöffentliche Sitzung des UN-Sicherheitsrats stattfinden.

Ebenfalls am Montag erinnerte der Chef für ABC-Waffen im russischen Verteidigungsministerium, Igor Kirillow, daran, dass Wladimir Selenski bei seinem Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 19. Februar angekündigt hatte, die Ukraine werde ihren Status als Atommacht wieder einnehmen. Nach dem 24. Februar habe Selenski wiederholt die NATO-Staaten aufgefordert, Schläge auf die Russische Föderation zu führen, und am 22. Oktober in einem Interview mit kanadischen Fernsehsendern dazu aufgerufen, den Kreml anzugreifen, wenn Russland das Kiewer „Entscheidungszentrum“ attackiere.

Die militärische Lage hatte sich am Wochenende etwas beruhigt, nachdem Russland in Reaktion auf die Sprengung der Brücke von Kertsch durch den ukrainischen Geheimdienst am 8. Oktober die Infrastruktur der Ukraine angegriffen hatte. Gleichzeitig kam eine von Kiew am 20. Oktober gestartete Offensive zu Land nicht voran.

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"Bis zum Äußersten", UZ vom 28. Oktober 2022



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