ver.di unterstützt EBI für „fairen Transport“

Bis September eine Million

Von Christine Christofsky

Die Europäische Bürgerinitiative „Fair Transport Europe“ muss bis 14. September 2016 eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU-Staaten sammeln, um in der EU eine Anhörung zu den Forderungen für einen „fairen Transport“ zu erreichen. In Deutschland müssen dazu mindestens 250 000 Unterschriften zusammenkommen. Europäische Gewerkschaften, darunter auch ver.di, beteiligen sich an der Aktion.

www.fairtransporteurope.de

Löhne und Arbeitsbedingungen von Millionen im europäischen Verkehrswesen Tätiger werden immer weiter unter Druck gesetzt. Die von vielen europaweit agierenden Unternehmen zur Erhöhung ihrer Profite geübte Praxis, ihre Lagerhaltung auf die Autobahnen und Straßen zu verlegen, führt dazu, dass die Anlieferung von Teilen für die Produktion „just in time“ (pünktlich dann, wenn die Teile für die Produktion gebraucht werden) erfolgen muss. Das übt natürlich zeitlichen Druck auf die Lkw-Fahrer aus, denn „schuldig“ zu sein am Stillstand der Produktion, weil benötigte Teile nicht rechtzeitig angeliefert werden, wird jeder Fahrer unter allen Umständen zu vermeiden suchen.

Die von der EU durchgeführte Liberalisierung des Verkehrswesens hat zur Folge, dass nationale Arbeitsbedingungen durch niedrigere Standards in anderen Ländern unter Druck gesetzt werden. Der Wettbewerb bei europaweiten Ausschreibungen wird in erster Linie um die niedrigsten Löhne geführt und so werden die Beschäftigten zu unbezahlten Überstunden und zur Umgehung der Ruhezeiten gedrängt.

Und hier kommen allgemeine Inter­essen ins Spiel, denn private Autofahrten und der Reiseverkehr werden durch schlecht bezahlte und übermüdete Lkw-Fahrer nicht sicherer. Deshalb sollten wir alle ein Interesse daran haben, dass die benötigten Unterschriften zusammenkommen.

Eine weitere Konkurrenzsituation beginnt gerade, sich zu etablieren. Die Deutsche Bahn möchte ihre Bussparte besser auslasten und drängt in den öffentlichen Nahverkehr. Bei Vergabe von Lizenzen im ÖPNV hat ein sogenannter „Eigenwirtschaftlicher Antrag“ Vorrang vor Direktvergabe oder Ausschreibung. Da bei einem solchen Antrag keine öffentlichen Zuschüsse gezahlt werden müssen, gelten sie auch nicht als öffentliche Aufträge. So werden soziale Standards, die Anwendung von Tarifverträgen und das Tariftreuegesetz – hart erkämpft – ausgehebelt.

Möglich gemacht hat das 2013 die schwarz-gelbe Regierungskoalition mit der Änderung des Personenbeförderungsgesetzes. Mit ihren Tochtergesellschaften übernimmt gerade die Deutsche Bahn in Pforzheim den öffentlichen Nahverkehr und Hildesheim soll folgen. Dieser „Eigenverantwortliche Antrag“ hat Vorrang, auch wenn die Beschäftigten deutlich schlechter bezahlt oder Sub-Sub-Unternehmer beschäftigt werden.

250 tariflich abgesicherte Arbeitsplätze gehen in Pforzheim verloren, wenn der Kampf der Beschäftigten mit 24-Stunden-Streiks und anderen Aktionen nicht noch eine Wende durchsetzt. Sie könnten sich beim neuen Unternehmer bewerben, wenn sie bis zu 30 Prozent weniger Lohn akzeptieren.

Kommentar vom ver.di-Bundesvorstand: „Dass sich nun auch noch ein Staatsunternehmen daran beteiligt, kommunale Verkehrsunternehmen zu vernichten, ist ein Skandal.“

Im kommunalen Nahverkehr arbeiten derzeit noch über 130 000 Menschen.

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"Bis September eine Million", UZ vom 1. April 2016



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