Veranstaltungen
zum 60. Jahrestag
des KPD-Verbots
Donnerstag, 4. August, Bremen
19.00 Uhr im Bürgerhaus Weserterassen, veranstaltet von der Bremer Antikapitalistischen Linken – BAL, der DKP Bremen, der Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg
Podiumsdiskussion mit Patrik Köbele, Willi Gerns, lnge Höger (MdB, „Die Linke“), Prof. Dr. Ekkehard Lieberam. Außerdem werden Spenden für Betroffene gesammelt.
Sonnabend, 10. September, Karlsruhe
Kundgebung und zentrale Veranstaltung des DKP-Parteivorstands
15 Uhr, Kundgebung, Platz der Grundrechte, Karlsruhe
Es sprechen: Patrik Köbele, Karin Binder (MdB „Die Linke“) u. a.
Anschließende Veranstaltung:
Es sprechen Hans-Peter Brenner und Rechtsanwalt Hans E. Schmitt-Lermann, anschließend Podiumsdiskussion
Kulturbeitrag: Erich Schaffner und Georg Klemp
Sonnabend, 17. September, Nürnberg
Nachbarschaftshaus Gostenhof, Adam-Klein-Straße 6
Veranstaltung der Marx-Engels-Stiftung in Zusammenarbeit mit der DKP Nürnberg:
mit Beiträgen u. a. von Peter Dürrbeck, Georg Polikeit, Hans E. Schmitt-Lermann
Am 17. August 1956, also vor 60 Jahren, verkündete das Bundesverfassungsgericht das Verbotsurteil gegen die Kommunistische Partei Deutschlands. Vorausgegangen war ein fünf Jahre dauerndes Verfahren. Eingeleitet wurde das Verfahren durch die Regierung Adenauer mit dem ehemaligen SA-Mann Gerhard Schröder (Innenminister). Prozessvertreter der Regierung war Ritter von Lex, ebenfalls im Naziregime eingebunden.
Prozessvertreter der KPD waren neben namhaften Rechtsanwälten Bundestagsabgeordnete und Mitglieder des KPD-Parteivorstandes, die in der Nazizeit verfolgt und auf Geheiß der Regierung in Haft genommen worden waren. So wurden Josef Ledwohn und Fritz Rische aus dem Gefängnis in den Gerichtssaal vorgeführt.
Die Richter waren sich nicht im Klaren, wie sie das Verbot begründen sollten, und zögerten mit der Verkündung des Urteils. Bundeskanzler Adenauer drängte massiv auf eine Urteilsverkündung, da der Prozess zu platzen drohte. Der Prozess hätte bei weiterer Verzögerung von einem anderen Senat neu geführt werden müssen.
Der Rechtsanwalt Dr. Posser, der unter anderem auch zeitweise Justizminister in Nordrhein-Westfalen war, erwähnte bei einem Interview im Dokumentarfilm „Als der Staat rot sah“, dass Adenauers Motiv sein starker Antikommunismus war.
Bekanntermaßen hatte Adenauer keine Skrupel, Hans Globke als Staatssekretär zu beschäftigen, der die Nürnberger Rassegesetze für die NSDAP kommentiert hatte, oder Generalstäbler der Hitlerarmee mit dem Aufbau der Bundeswehr zu beauftragen.
Allein schon diese Skandale machen deutlich, dass die Verfolgung der KPD und ihrer Mitglieder mit der Gründung der Bundesrepublik einsetzte. Natürlich geschah dies nicht nur aus Rache für die Niederlage des Faschismus, sondern die reaktionäre Politik in den USA und in Großbritannien begünstigten diese Entwicklung, wie auch der Korea-Krieg und die Niederlage der Günstlinge der USA in China sorgten für ein frostiges politisches Klima.
Wenn heute von Historikern die Frage aufgeworfen wird, ob das Verbot hätte sein müssen, betrachte ich diese Fragestellung als eine Verkleisterung von Tatsachen. Das Verbot der KPD hat stattgefunden, weil ihr Einfluss bei Gegnern der Wiederaufrüstung groß war und der Widerstand gegen die Einbindung in Militär- und Wirtschaftsbündnisse, die vor allem gegen die UdSSR gerichtet waren, bei vielen Menschen Anklang fand.
Was im Kommunistischen Manifest geschrieben steht: „Ein Gespenst geht um in Europa …“ treibt seit 1848 royalistische und bürgerliche Politiker um.
In Lüneburg wurden die meisten Urteile gefällt
In Niedersachsen wurden an der IV. Strafkammer des Landgerichts Lüneburg wohl die meisten Urteile mit empfindlichen Haftstrafen gefällt. In einer Untersuchungen von Geschichtsforschern aus Lüneburg wurde festgestellt, dass es Seilschaften von Juristen gegeben hat, die sich gegenseitig „Persilscheine“ ausgestellt hatten, ihre brauen Hemden in weiße Westen verwandelten. Dieser Vorgang war aber nur möglich, weil auch das niedersächsische Justizministerium mit Altnazis durchsetzt war und einige ehemalige Justizminister eine „braune“ Vergangenheit hatten.
Allerdings steht Niedersachsen damit nicht allein, in anderen Bundesländern gab es ähnliche Erscheinungen.
Interessant bei der Kommunistenverfolgung war – auch schon vor dem Verbot der KPD –, dass viele Redakteure von KPD-Zeitungen in den einzelnen Bundesländern verfolgt wurden, weil sie angeblich den Bundeskanzler Adenauer beleidigt hätten. Vor der IV. Kammer des Landgerichts Lüneburg ergingen Urteile, die zu Gefängnisstrafen führten. Nebenstrafen waren keine Seltenheit und führten in einigen Fällen auch zum Berufsverbot und Entzug von Fahrerlaubnissen für Journalisten.
Im Jahre 1955 wurde die ehemalige Landtagsabgeordnete der KPD Herta Dürrbeck zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Sie hatte gemeinsam mit den zwei anderen niedersächsischen Landtagsabgeordneten der KPD Jugendlichen geraten, sich nicht einschüchtern zu lassen und sie von ihrem Recht Gebrauch machen sollten, nach Berlin zu reisen. Daraus machten die Lüneburger Staatsanwälte und Richter eine Unterstützung der verbotenen FDJ. Herta Dürrbeck musste im Mai 1956 die Haft antreten. Was auch dazu führte, dass ihre Entschädigungsrente nicht auf Rente nach dem Bundes-Entschädigungsrecht umgestellt wurde, die erheblich höher gewesen wäre als die bisher bezogene Rente nach dem niedersächsischen Landesgesetz.
Der Vorsitzende des Gerichts war Landgerichtsdirektor Dr. Konrad Lenski. Lenski war unter anderem tätig als Kriegsgerichtsrat beim Feldgericht 6 in Norwegen und in Frankreich. In Frankreich war er für mindestens 13 Todesurteile verantwortlich. Nachweislich ließ er einen Zeugen Jehovas wegen Wehrkraftzersetzung hinrichten.
Oberstaatsanwalt bei dem Prozess in Lüneburg war Dr. Liebau. Liebau war 1943 verantwortlich für den Tod von neun tschechischen Bürgern. Weitere Verbrechen wurden aufgedeckt. Liebau musste als Staatsanwalt bei der 4. Kammer beim Landgericht Lüneburg 1957 gehen und wurde Oberamtsgerichtsrat in Seesen.
Rehabilitierung ist bis heute nicht erfolgt
Heute hat sich bei Historikern und vielen Politikern durchgesetzt, dass das KPD-Verbot und die Berufsverbote undemokratische Akte waren. Auch wird vielfach auf die massenhaften Verfolgungen hingewiesen und festgestellt, dass dies eine demokratische Entwicklung behindert hat. Doch sind solche Erkenntnisse in der Praxis Lippenbekenntnisse, wenn eine Rehabilitierung der Verfolgten nicht erfolgt.
Hinzu kommt ja noch, dass die Urteile gegen Mitglieder und vermeintliche Mitglieder der KPD oft von Staatsanwälten und Richtern „an den Haaren“ herbeigezogen wurden. Der Rechtsgrundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ wurde kurzerhand umgekehrt. Das beweisen unter anderem die Anwendungen von Paragraphen, die später als verfassungswidrig erklärt wurden.
Ebenfalls wird heute anerkannt, dass Richter und Staatsanwälte an den Strafkammern für die Verurteilungen von Kommunisten früher im Naziregime an verbrecherischen Urteilen beteiligt waren. Praktisch saßen Naziverfolgte oft ihren ehemaligen Verfolgern wieder gegenüber. Oder mussten sich sagen lassen, dass sie aus ihrer Verfolgung in der Nazizeit nichts gelernt hätten, denn sie seien ja nach 1945 wieder in der KPD Mitglied gewesen.
Nach wie vor fehlt aber eine gründliche Aufarbeitung der Geschichte der Bundesrepublik. Zahlen über die Verfolgungen von Kommunisten sind bekannt. Einige Details wurden beschrieben. Gegen über 100 000 Bundesbürger wurden Verfahren eingeleitet, über 8 000 Verurteilungen wurden angesprochen.
Wenn man bedenkt, dass viele Betroffenen über die Beobachtungen und Verfahren nie etwas erfahren haben, kann man feststellen, dass „Big Brother“ in der Bundesrepublik sehr aktiv war und es immer noch ist.
Seit meinem 17. Lebensjahr wurde über mich (P. D.) beim niedersächsischen Verfassungsschutzamt Buch geführt und ich gehe mal davon aus, dass ich noch nicht ganz aus den Akten verschwunden bin.
Ohne Annullierung des KPD-Verbots wird die Demokratie nicht Wirklichkeit werden, oder wie Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner schreibt, bleibt ein Anachronismus bestehen.
In Sachen Rehabilitierung setzen die Bundes- und Landesregierungen auf eine biologische Lösung. Die Verfolgungsopfer haben durch Rentenverluste eine Verlängerung ihrer verfassungswidrigen Verfolgung erfahren.
Und auch nach ihrem Tode wird den Verfolgten Unrecht zugefügt, indem ihre Geschichte verleugnet wird und sie als Außenseiter dargestellt werden. Wenn in dieser Republik nicht endlich eine gründliche Aufarbeitung der eigenen Geschichte erfolgt, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass Fremdenhass und Kriegsbereitschaft in der Gesellschaft weiterhin einen Nährboden haben.
Die Idee zu der Broschüre, die im Juni erschienen ist, geht auf ein Seminar der DKP-Geschichtskommission beim Parteivorstand der DKP an der Karl-Liebknecht-Schule zurück. Im Vorwort zur Broschüre „60 Jahre KPD-Verbot und politische Justiz“ schrieben Walter Bauer und Raphael Fleischer: „In diesem Jahr, 2016, jährt sich zum 60. Mal das Verbot der KPD. Über das Verbot und seine Auswirkungen wurden zahlreiche Bücher und dicke Stapel an Broschüren veröffentlicht. In Biografien und zig Zeitungsartikeln ist bereits viel zu finden. Wozu also eine neue Broschüre? Zum einen soll es ein Anstoß sein, sich gründlich mit diesem, die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft so prägendem Zeitabschnitt zu beschäftigen. Mit der politischen Justiz und der Repression als systemimmanentem Teil dieser „Demokratie“. Zum anderen ist das KPD-Verbot nicht nur ein historisches, nach Jahrestagen zu zählendes Ereignis, sondern auch ein aktuelles Thema. Natürlich für die vielen, die noch immer um ihre politische und rechtliche Wiedergutmachung kämpfen, aber auch für jeden einzelnen, der sich für eine andere Gesellschaft einsetzt. Es sind die Erfahrungen vom Kampf in der illegalität und der Kampf um die Legalität. Es sind die Erfahrungen der massiven Repression, ob politisch, privat oder beruflich. Es sind aber auch die Erfahrungen der Solidarität unter all jenen, die sich für eine bessere Gesellschaft einsetzen und unter derselben Repression leiden. Der Spruch „Betroffen sind Einzelne, gemeint sind wir alle!“ trifft den Kern. Auf diesem Gebiet hat die KPD in ihrer Geschichte ja reichlich Erfahrung sammeln müssen. Schließlich stehen immer weniger Zeitzeugen zur Verfügung. Von einem wichtigen Kapitel unserer Geschichte wird bald nur noch zu lesen sein. Diese Broschüre möchte, dass diese Erfahrungen nicht vergessen werden. Von ihnen zu wissen und daraus zu schöpfen ist uns ein Herzensanliegen.“
Zu beziehen über den Parteivorstand der DKP oder direkt über Walter Bauer, Postfach 810112, 90246 Nürnberg