Kaum ist man Mitglied in der DKP, schon wird man zu einer Grundlagenschulung Marxismus-Leninismus ans andere Ende der Welt geschickt. „Das ist ganz toll.“ „Du lernst in ganz neugemachten Räumen.“ „Du triffst viele nette Leute.“ Also gut. Nun gilt es nur noch, die Familie davon zu überzeugen, dass man die ganzen freien Tage über Himmelfahrt nicht mit ihr verbringt.
Nach sieben Stunden Zugfahrt – inklusive einer Stunde Verspätung in Frankfurt/Main – komme ich an. Neues Haus, außenrum noch Baugeschehen, Tür verschlossen. Ein großes Banner mit einem Bild von Karl Liebknecht ist aber ein sicheres Zeichen, dass ich richtig bin. Rum ums Haus, da sitzen Leute. „Bin ich hier richtig bei den Kommunisten?“ Ein langer Kerl nimmt sich meiner an, gibt mir Bettwäsche, einen Corona-Test und zeigt mir mein Sechsbettzimmer mit Doppelstockbetten. Da werden sofort Erinnerungen an meine Ferienlagerzeit geweckt. Nur die Leitern zum Hochklettern fehlen. Das schaffe ich heute nicht mehr ohne. Also unten einquartiert und auf zum ersten Treffen im Schulungsraum.
Der lange Kerl stellt sich vor und erzählt die Geschichte des Hauses. Besonders beeindruckend ist die Verbindung zum Bauhaus. Bis auf einige Lampen und Türrahmen ist davon leider wenig übriggeblieben. Blick zur Decke. Die Lampen im Raum scheinen irgendwo zusammengesammelt worden zu sein. Sie haben zwar die gleiche Form, aber jede leuchtet anders. Weit gefehlt! Die DKP bezieht ihre Mitglieder in wichtige Entscheidungen ein. „Was denkt ihr, welche Lampe wirkt im Raum am besten? – Ja, die finden wir auch am besten und werden sie dann für alle Fassungen bestellen.“ Geklärt, nun kann es losgehen.
Die zwei Referenten laden zu Kennenlernrunden ein. Oh, nein, bitte kein Bälle werfen oder Spinnennetz bauen. Ich komme drum herum, die Referenten haben sich etwas Nettes einfallen lassen: Jeder verortet sich auf einer imaginären Landkarte nach seinem Herkunftsort. Schau an, nur ich komme aus dem Osten. Siebzehn weitere Teilnehmer kommen aus dem Westen Deutschlands. Aufstellen nach dem Alter – wir sind zwischen 29 und über 70 Jahre alt. Dauer der Mitgliedschaft in der DKP – von gar nicht bis Jahrzehnte. Das ist eine gute Mischung.
Wir starten mit „Was ist der Marxismus-Leninismus?“. Jeder erhält einen dicken Ordner mit Texten von Marx, Engels, Lenin. Die Referenten führen in das Thema ein, die Gruppe wird geteilt und wir lesen anschließend abschnittweise die Texte vor und besprechen Fragen. Angenehm ist, dass man noch so banale Fragen stellen kann. Das wird von den Referenten als wichtig erachtet, um den Text zu verstehen. An den weiteren Tagen vertiefen wir uns in Texte zur „Politischen Ökonomie“ und zum „Wissenschaftlichen Sozialismus“. Oft muss uns der Seminarleiter zurückholen, weil wir in Einzelheiten eindringen oder andere Gebiete berühren, die vom Thema wegführen.
Uns rauchen die Köpfe. Zum Glück gibt es den sehr guten Koch, der uns an die nötigen Pausen erinnert.
Am letzten Tag die Abschlussfrage: Was ist die Arbeitswerttheorie? Ich fühle mich wie in einer Prüfung. Ich krame in meinen Erinnerungen. Haben wir dieses Wort in den letzten Tagen besprochen? Ich kann es nicht zusammenbasteln. Mist! Ich werde das Grundlagenseminar noch einmal machen müssen. Dann aber hoffentlich im Osten. So kann man das gesparte Geld der Bahnreise besser in rote Fahnen stecken. Außerdem kommen dann auch sicherlich mehr Leute aus dem Osten.
Zu Hause angekommen (natürlich mit Zugausfall in Frankfurt/Main): „Mama, ich muss morgen (!) einen Vortrag zu Wert und Würde halten.“ Ich krame sofort meinen Ordner des Grundlagenseminars heraus. „Sohn, du musst unbedingt bei Marx nachlesen! Das muss in deinen Vortrag!“ „Ich habe Marx sogar zitiert. Findest du das toll?“ Na, und ob!
Drei Tage später habe ich eine Erhellung: Der Referent fragte nach Arbeit-Wert-Theorie. Also das bekomme ich hin. Wert hat mehrere Bedeutungen. Der Warenwert und der Gebrauchswert eines Produktes; der Mehrwert, den ich durch meine Arbeit schaffe, weil ich länger arbeite als der Kapitalist mir für die Herstellung der Waren bezahlt, oder anders ausgedrückt, ich stelle mehr Waren her als den Wert der Ware, den ich bezahlt bekomme. Ausbeuter! Ist das richtig, Herr Referent?
Es war wirklich ganz toll in den neuen Räumen. Und Kommunisten sind echt nette Leute. Die Grundlagenschulung lohnt sich. Vielen Dank an die Referenten! Vielen Dank an die Organisatoren an der Karl-Liebknecht-Schule und in der Deutschen Kommunistischen Partei! Vielen Dank an den Koch! Vielen Dank an die Bauleute! Vielen Dank an euch Teilnehmer! Übt das Singen der „Internationale“ noch einmal, damit das bei der nächsten Demo besser klappt, ohne Gebrumm!
Nächste Chance zur Grundlagenschulung vom 28. Oktober bis 1. November in der Karl-Liebknecht-Schule in Leverkusen. Anmeldungen über kls@dkp.de