Wladimir Selenski hatte keine Zeit zu verlieren. Kurz nachdem Donald Trump die Aussetzung der US-Militärunterstützung verkündet hatte, telefonierte der ukrainische Präsident mit Friedrich Merz (CDU). Nach Medienberichten habe Selenski bei dieser Gelegenheit daran erinnert, dass Deutschland eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung von Luftabwehrsystemen und finanziellen Hilfen spiele. Merz verbreitete Selenskis Lobhudelei auf der Plattform X weiter. Die warmen Worte aus Kiew dürften dem Anwärter auf das Kanzleramt gelegen kommen. Schließlich bereitet Merz derzeit in aller Öffentlichkeit einen Wählerbetrug vor, für den sich sogar Olaf Scholz (SPD) geschämt hätte. Und der Mann hatte die Nerven, sich selbst als Kanzler einer „Fortschrittskoalition“ zu bezeichnen.
Seit Beginn des Wahlkampfes hatte sich Merz für die Einhaltung der Schuldenbremse ausgesprochen. Seit die CDU die Bundestagswahl gewonnen hat, vergeht kein Tag, an dem nicht über wahnsinnige Kreditsummen für Hochrüstung und Kriegführung gesprochen wird. Schon in der kommenden Woche könnte eine Sondersitzung des Bundestags abgehalten werden, um noch mit den alten Mehrheiten gigantische „Sondervermögen“ – also Rekordschulden – zu verabschieden.
Die Geschwindigkeit, mit der SPD und CDU diese Überlegungen vorantreiben, hat inzwischen sogar die bürgerlichsten Volkswirte abgehängt. „Das klingt eigentlich mehr nach Satire als nach einem ernsthaften Vorschlag“, kommentierte die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm das Vorhaben, zwei „Sondervermögen“ im Umfang von insgesamt 900 Milliarden Euro zu verabschieden.
Die beiden „Sondervermögen“ sollen Kreditaufnahmen von 400 Milliarden Euro für die Hochrüstung der Bundeswehr und 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur ermöglichen. Diese Aufteilung, die bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ nicht weiter erläutert wurde, war sogar Teilen des Juniorpartners suspekt. „Sondervermögen Infrastruktur à la Merz: Geld für militärisch relevante Straßen, Brücken und Schienen. Der zivile Rest kann weiter vergammeln?“, fragte Arno Gottschalk, Finanzpolitischer Sprecher der SPD in der Bremischen Bürgerschaft, auf X. Er verwies auf einen Bericht des „Handelsblatts“, in dem die Notwendigkeit von „militärischer Mobilität“ beschrieben wurde, da Deutschland „als Drehscheibe der NATO“ dafür sorgen müsse, dass „Straßen und Schienenwege in Schuss sind“.
Während des Wahlkampfs hatte die deutsche Medienlandschaft fleißig mit an der Lüge gestrickt, dass sich der kommende Kriegshaushalt im Rahmen der Schuldenbremse und ohne größere politische Verwerfungen finanzieren lasse. Nun vollzog sie zusammen mit der CDU die Kehrtwende. Bei der Bewertung der CDU-Wahlkampfversprechen müsse man von „Wählertäuschung oder gar Wahllüge sprechen“, kommentierte zwar das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Dann leitete der gleiche Kommentar jedoch geschickt über: „Sei es drum. Denn mit der 180-Grad-Wende zeigt Merz endlich, dass er die Zeichen der Zeit erkannt hat.“
Am Dienstag zeigte dann auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), dass sie die „Zeichen der Zeit“ erkannt hat. „Dies ist die Stunde Europas und wir müssen ihr gerecht werden“, begründete sie ihren Vorschlag, 800 Milliarden Euro für einen EU- „Verteidigungsfonds“ zu mobilisieren. „Wir befinden uns in einer Ära der Aufrüstung und Europa ist bereit, seine Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen.“ Auf einem Sondergipfel am Donnerstag soll darüber beraten werden, ob im Zuge dieses Vorhabens auch die EU-Schuldenregeln aufgeweicht werden, um den Mitgliedstaaten eine schnellere Aufrüstung zu ermöglichen.
Dass auch mit diesen Summen das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist, bestätigte der Bonner Ökonomie-Professor Christian Bayer auf X. Sein Vorschlag: Ein Sondervermögen von 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zur Finanzierung der Militärausgaben. Nimmt man das vergangene Jahr zum Maßstab, entspräche dies einem Volumen von knapp 1,72 Billionen Euro. Bleibt abzuwarten, was von alledem Satire ist.