Gates, Zuckerberg und Omidyar in Afrika

Billigst-Bildung mit Big Brother

Von Georges Hallermayer

Eine Wellblechhütte, ein Raum mit langen Holzbänken für 60 Kinder, eine Kreidetafel für den in einem fünfwöchigen Kurs angelernten Instruktor, der täglich den über Internet übertragenen Lernstoff mithilfe eines eigens für sie entwickelten Tablets „BQ“ abruft: Tafelbild, Übungen, Tests, Zeitplan sind minutiös bis ins Einzelne vorgeschrieben: „Wenn der Schüler richtig buchstabiert, gib ihm/ihr ein Lob“, „Pause“ oder „Wisch die Tafel“. Mit dem Tablet wird die Anwesenheit der Schüler wie auch die Arbeitszeit des Tutors erfasst. Das Tablet-gesteuerte Unterrichten verläuft in allen Klassen an allen Orten dank Internet synchron. Das Curriculum berücksichtigt keine nationalen Standards. Das eingepaukte Wissen wird über das Tablet im Multiple-choice-Verfahren abgefragt. Beste Testergebnisse garantiert – allerdings steht nicht im Lehrplan, eigenständiges, kritisches Denken zu fördern.

Vor knapp zehn Jahren hatten sich Bill Gates (Microsoft), Mark Zuckerberg (Facebook) und Pierre Omidyar (Ebay) mit dem Hedgefonds PALF, Pearson Affordable Learning Fund, dem weltgrößten Unternehmen in Sachen Erziehung, zusammengetan, um aus der Armut ein Geschäft zu machen: Bridge International Academies (BIA), Sitz in Nairobi, Kenia. Das Geschäftsmodell, Grundschulbildung billigst zu vermarkten, zielt laut „Le Monde“ auf 700 Millionen Familien, die von weniger als 2 Dollar pro Tag leben – ein Marktwert von 380 Milliarden Dollar.

Über 80 000 Schulkinder in 400 Schulen in Kenia, 63 Schulen in Uganda, in Nigeria, seit 2016 auch in Liberia. Eine rapide Expansion, allein in Kenia hat die BIA zwischen 2008 bis 2015 359 Schulen eröffnet und plant, sich (neben Asien) in 12 weiteren afrikanischen Ländern auszubreiten.

Der Besuch der Bridge Academy in Kenia koste monatlich 6 Euro pro Kopf und sei, wie Weltbankpräsident Jim Yong Kim sagte, um die Hälfte billiger als öffentliche Schulen. Allerdings sind für Schulmaterialien, Kosten für Schuluniformen nicht mitgerechnet, zwischen 9 und 12 Dollar pro Monat aufzubringen, wie die NGO „Global Initiative“ 2015 vorrechnete. Nach Angaben der NGO „Education before profit“ müsste eine Familie mit drei Kindern in der Grundschule bis zu 68 Prozent ihres Monatseinkommens ausgeben, in Uganda sogar bis zu 75 Prozent.

Damit sich das vorgeschossene Kapital von 100 Mio. Dollar amortisiert, muss eine Kundschaft von einer halben Million Schüler gewonnen werden. Aber davon ist BIA mit 80 000 eingeschriebenen Schülern weit entfernt. Nicht nur, dass sich die Reklame mit 6 Euro pro Kopf als wirklichkeitsferne Propaganda herausstellte, auch die politischen Proteste zeigten Wirkung. So macht sich in Uganda seit 2016 die Erziehungsministerin Janet Museveni dafür stark, die Schulen zu schließen. Die Schulen wiesen „hygienische und sanitäre Mängel“ auf, das pädagogische Material ermutige nicht die Interaktion zwischen Schüler und Lehrer, die Schulen würden ohne Genehmigung betrieben und „erfüllen nicht die ugandischen Minimalstandards“. Der Bridge Academy gelang es vor Gericht, den Ministeriumsbeschluss zur Schließung der Schulen aufheben zu lassen. Laut einem Sprecher der Ministerin haben die Schulen aber zum Schuljahresbeginn im Februar keine Zulassung mehr.

Es wird eng für Bridge. Der französische Staatspräsident Macron nutzte die Gelegenheit, die Fratze von „France­afrique“ in Dakar (Senegal) aufzuhübschen. Am 2. Februar belebte er bei seinem Besuch den 2002 gegründeten Fonds „Welt-Partnerschaft für Erziehung“ wieder: Die Finanzierungsplattform will für den Zeitraum 2018 bis 2020 zwei Milliarden Euro für Afrika sammeln, um die öffentliche Bildung zu fördern, d. h. das Erziehungsbudget auf 20 Prozent der Staatsausgaben zu erhöhen. Um die afrikanischen Regierungen in der Migrationsfrage kooperationsbereit zu stimmen, hat die Europäische Union im Dezember 287,5 Millionen Euro zugesagt. Der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, wenn man bedenkt, dass der Fonds 28,5 Milliarden Dollar für die Periode 2015–2018 ausgeschüttet hatte.

Shannon May, eine der Gründerinnen der Bridge International Academies, gestand vor der Enquête-Kommission des britischen Parlaments im März 2017 ein, dass BIA mit 12 Millionen Dollar in den roten Zahlen stecke. 2014 hatte die britische staatliche Finanzierungsgesellschaft CDC 6 Millionen Dollar in BIA investiert und befürchtet nun, das Kapital abschreiben zu müssen. Im April 2017 empfahl die Kommission, „in das Unternehmen nicht mehr zu investieren“.

Die Weltbank hatte 2014 auch über ihren privaten Zweig International Finance Corporation (IFC) 10 Millionen US-Dollar zugeschossen. Es ist müßig zu erwähnen, dass damals die Weltbank selbst wie auch die International Development Association (deren Arm für die ärmsten Länder) keinen Dollar, also keine Projekte für die Förderung öffentlicher Schulen in den betreffenden Ländern bereitgestellt hat.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Billigst-Bildung mit Big Brother", UZ vom 9. Februar 2018



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit