Der DGB-Ausbildungsreport 2017

Bildungsfremde Arbeit

Von Manfred Dietenberger

Im August und September treten überall in Deutschland zigtausende Jugendliche ihre Berufsausbildung an. Gemeinhin wird die Berufsausbildung in Deutschland – eine Mischung aus praktischem Lernen im Betrieb und schulischer Unterweisung – als vorbildlich bezeichnet. Trotzdem jammern die Unternehmen in Deutschland alle Jahre wieder über zu wenige und nur wenig qualifizierte Auszubildende. Wieso eigentlich? Tolle Kollegen, nette Ausbilder, spannende Aufgaben und eine modern ausgestattete Berufsschule: So könnte Berufsausbildung doch eigentlich richtig Spaß machen, die Jugendlichen müssten Schlange stehen bei den Betrieben.

Doch laut dem vom DGB aktuell herausgegebenen Ausbildungsreport klagen Azubis über Ärger im Betrieb oder in der Berufsschule. 12 000 von ihnen wurden im Auftrag des DGB befragt. Am ehesten zufrieden mit ihrer Lage sind die Auszubildenden in Betrieben, in denen es einen Betriebsrat und eine Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) gibt. Dort sind 82 Prozent zufrieden. In Betrieben ohne JAV und Betriebsrat sind es dagegen nur 62 Prozent.

Was sind die größten Probleme? Es hapert an der Qualität der Ausbildung. Die von DGB veröffentlichten Umfrageergebnisse zeigen erschreckend große Unterschiede in der Qualität der Berufsausbildung, viele Azubis fühlen sich ausgenutzt und schlecht behandelt: Viele Überstunden, ausbildungsfremde Tätigkeiten und unzulängliche Berufsschulqualität zwingen die Azubis, die Lücken in ihrer Ausbildung u. a. durch eigenes nachträgliches Büffeln in der Freizeit auszugleichen.

Konkret bedeutet das: 36 Prozent der Azubis müssen regelmäßig Überstunden machen – im Schnitt gut vier Stunden pro Woche. 13 Prozent davon bekommen dafür weder Freizeitausgleich noch Bezahlung. Sogar fast 12 Prozent der minderjährigen Lehrlinge berichten, dass sie mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten müssen, obwohl auch das illegal ist. Ein Ausbildungsplan fehlt – obwohl gesetzlich vorgeschrieben – bei fast zwei von drei Azubis. Jeder zehnte sagt, er müsse „immer“ oder „häufig“ ausbildungsfremde Tätigkeiten – z. B. Beispiel Kaffee kochen, Halle fegen, Auto vom Chef waschen, oder stundenlang kopieren. Dies sind Tätigkeiten, die nicht zur Ausbildung gehören und dafür sorgen, dass Ausbildungsinhalte zu kurz kommen.

Die Berufsschule kann Defizite nur unzureichend auffangen. Warum? Die befragten Azubis klagen häufig über die miesen Bedingungen im Zusammenhang mit dem Berufsschulunterricht, fühlen sich von der Berufsschule nicht genug auf die theoretische Prüfung vorbereitet. Es fehlt den Berufsschulen an Lehrern und zeitgemäßer Ausstattung. Lediglich 58 Prozent der Lernenden bewerteten daher die fachliche Qualität ihres Berufsschulunterrichts als „sehr gut“ oder „gut“.

Die Hälfte der Azubis kritisierten die schlechte Abstimmung zwischen Ausbildungsstelle und Berufsschule. Am schlechtesten werden von den befragten Auszubildenden folgende Ausbildungsberufe bewertet: Anlagenmechaniker, zahnmedizinische Fachangestellte, Friseure, Hotelfachmann/frau, Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk. So schmeißt z. B. rund die Hälfte der Azubis, die sich zur Koch- und Restaurantfachkraft ausbilden lassen wollen, hin. Zugleich zählt die Gastronomie zu jenen Branchen, in denen immer mehr Lehrstellen unbesetzt bleiben.

Von den Azubis am besten bewertet wird die Ausbildung zum Mechatroniker, Zerspanungstechniker, Elektroniker, Industriemechaniker und Indus­triekaufleute. Von den Azubis, die ihre Ausbildung durchziehen, ist die Zukunft für allzu viele ungewiss: 42,6 Prozent der Auszubildenden im letzten Ausbildungsjahr wissen noch nicht, ob sie danach von ihrem Betrieb übernommen werden. 1869 beklagte der Buchdrucker Richard Härtel in seiner „Ansprache an Eltern und Erzieher“, „dass ein Theil, die Arbeitgeber, ihre Freiheit in so ausgedehntem Maße gebrauchen, dass für den andern Theil, die Lehrlinge, so gut wie nichts übrig bleibt“.

„In der Ausbildung als billige Arbeitskräfte missbraucht zu werden, das ist die Realität“ sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Eine neue Lehrlingsbewegung kann das ändern.

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"Bildungsfremde Arbeit", UZ vom 8. September 2017



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