Aufenthaltsrecht für Geflüchtete stört auch den Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft

Biedermänner als Brandstifter

Von Nina Hager

Die „Bild“-Zeitung berichtete in der vergangenen Woche unter Berufung auf Zahlen der Bundesregierung, dass etwa 550 000 abgelehnte Asylbewerber in Deutschland leben (Stand: Ende Juni). Die Bundesregierung hatte auf eine der regelmäßigen Anfragen der Fraktion der Partei „Die Linke“ im Bundestag über den Status der im Land lebenden Geflüchteten geantwortet.

Rund 406000 dieser Asylbewerber leben bereits seit Jahren im Land. Rund die Hälfte (46,6 Prozent) hat laut Bericht ein unbefristetes, 34,8 Prozent haben ein befristetes Aufenthaltsrecht. Rund 37 000 Personen dürfen wegen fehlender Reisedokumente bleiben. Andere aus dringenden medizinischen Gründen. Und ca. 10 000 sei die Rückkehr in ihr Heimatland versperrt, weil es als nicht sicher gilt. Die meisten abgelehnten Asylbewerber stammen laut Antwort der Bundesregierung aus der Türkei, dem Kosovo und aus Serbien. Die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ macht aber darauf aufmerksam, dass es auch für Menschen aus Syrien, Eritrea, Irak und Afghanistan immer weniger Flüchtlingsschutz gibt und wirft dem Bundesinnenminister vor, entsprechend Druck auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auszuüben.

Prompt gab es nach der Veröffentlichung der Antwort der Bundesregierung Wortmeldungen aus CSU und CDU. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Friedrich (CSU), forderte eine dringende – und damit weitere – Verschärfung der Abschieberegeln in Deutschland. „Wer zulässt, dass abgelehnte Asylbewerber dem Staat derart auf der Nase herumtanzen, zerstört das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates.“ Auch der CDU-Abgeordnete Stephan Harbarth verlangte die Zahl der Rückführungen zu erhöhen.

Dabei gibt es für Asylbewerber bereits restriktive Bestimmungen, die ständig verschärft werden. Und nicht nur die Zahl der Abschiebungen ist bereits deutlich gestiegen. Waren es 2015 insgesamt 17 015, gab es laut Innenministerium bis zum 31. Juli dieses Jahres bereits 13 130. Bis Ende Juli dieses Jahres reisten zudem knapp 35000 Menschen „freiwillig“ in ihre Heimatländer zurück. (Interview auf Seite 5).

Auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, mischte sich ein und behauptete gegenüber der „Bild“-Zeitung: „Es gibt eine regelrechte Abschiebeverhinderungsindustrie. Anwälte und Organisationen wie Pro Asyl verhindern die rechtmäßige Rückführung abgelehnter Asylbewerber systematisch. Und die Politik scheut unschöne Bilder.“

Zu diesen Positionierungen erklärte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Partei „Die Linke“, unter anderem: „… genau so werden Vorurteile, rechte Gedanken und Parteien gestärkt“. „Die Zahl der Abschiebungen und der so genannten freiwilligen Ausreisen ist in diesem und im letzten Jahr enorm gestiegen. Gesetzlich wurde eine Pflicht zu unangekündigten Überraschungsabschiebungen verankert, viele Krankheiten und psychologische Stellungnahmen dürfen gar nicht mehr berücksichtigt werden. Wer vor diesem Hintergrund öffentlich den Eindruck erweckt, Geflüchtete würden dem Staat auf der Nase herumtanzen … oder es gäbe Organisationen, die gezielt Abschiebungen verhinderten, ist Biedermann und Brandstifter zugleich.“

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"Biedermänner als Brandstifter", UZ vom 30. September 2016



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