Tarifrunde Metall- und Elektroindustrie: Aktionen und Streikvorbereitungen

Betteln oder kämpfen?

Auch die zweite Verhandlungsrunde in der Metall- und Elektroindustrie ist in den Bezirken ohne Annäherung beendet worden. Die Kapitalverbände gingen mit dem immer gleichlautenden Angebot an den Verhandlungstisch: Null und nix. So geht Klassenkampf von oben.

Bereits bei der ersten Verhandlungsrunde protestierten tausende Kolleginnen und Kollegen in den verschiedenen Bezirken und machten Druck auf die Kapitalisten, die die Forderung nach 8 Prozent mehr Lohn als „überzogen“ oder „Realitätsverlust“ bezeichnen. Kämpferische Aktionen der Beschäftigten, bei denen die Wut über solche Aussagen spürbar war, begleiteten die zweite Verhandlungsrunde. Die Kolleginnen und Kollegen sehen den Widerspruch: Die Konzerne machen Milliardengewinne, während sie immer weniger bekommen – auch dank einer hohen Inflation.

Im Bezirk Baden-Württemberg protestierten am 12. Oktober 10.000 Beschäftigte, allein vor dem Verhandlungslokal in Kornwestheim waren es über 5.000 Kolleginnen und Kollegen. Die „8“ war im gesamten Demozug präsent – mit kreativen Sprüchen und Symbolen: „Unter 8 – gute Nacht!“, „ Ihr habt ’ne Yacht, uns reicht die 8!“ oder „8 % oder die Hütte brennt“ war auf den Transparenten zu lesen. Selbst die Kinder eines Kindergartens machten mit und riefen lautstark: „8 Prozent – 8 Prozent.“ Es gab aber auch Schilder, die mehr als 8 Prozent forderten. Denn längst ist den Kolleginnen und Kollegen klar, dass 8 Prozent nicht ausreichen, um den Reallohn zu sichern. Nach viereinhalb Jahren ohne tabellenwirksame Erhöhung sagen viele, dass sie eigentlich 14 oder 15 Prozent bräuchten, um ihren Lebensstandard halten zu können.

Der Bezirksleiter der IG Metall, Roman Zitzelsberger, betonte in seiner Rede in Kornwestheim, dass endlich ein Angebot auf den Tisch soll. „Ich frage mich ernsthaft, wozu wir in Zukunft noch eine Friedenspflicht brauchen, wenn die Arbeitgeber diese nicht ansatzweise nutzen. Nach über vier Wochen hat es die Arbeitgeberseite nicht geschafft, einen Vorschlag zur Lösung zu unterbreiten. Stattdessen hat die Gegenseite nur Vorschläge aus der Mottenkiste als Provokation zu bieten. Für uns bedeutet das, dass wir uns mit voller Vehemenz auf eine konfliktäre Auseinandersetzung vorbereiten.“

Das wird auch notwendig sein, denn mit den üblichen Ritualen wird in dieser Tarifrunde nichts zu holen sein. Es wird einen längeren Streik brauchen, um die Blockadehaltung der Metallkapitalisten zu durchbrechen. Das ist vielen bewusst. Warnstreiks werden deshalb bereits vorbereitet, Urabstimmung und Streik heiß diskutiert. Schon lange nicht mehr waren die Beschäftigten so kampfbereit wie in dieser Tarifrunde. Der Bezirk Baden-Württemberg ist ein wichtiger Bezirk mit rund einer Million Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie und wichtigen kampferfahrenen Belegschaften. Hier findet die nächste Tarifverhandlung am 27. Oktober statt, einen Tag vor Ende der Friedenspflicht.

Eine große Gefahr lauert im Hinterstübchen. Bei der sogenannten „Konzertierten Aktion“ Mitte September hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine steuerfreie Abschlagszahlung von bis zu 3.000 Euro ins Spiel gebracht. Das hört sich nach viel an und klingt verlockend, hat aber nur eine einmalige Wirkung. Wieder einmal wird versucht, eine tabellenwirksame Erhöhung zu verhindern. Diese ist aber dringend notwendig. „On Top“ spricht nichts gegen einen Bonus, aber nicht als Alternative zur Erhöhung der monatlichen Entgelte. Kompensationsgeschäfte durch Einmalzahlungen sind ebenso abzulehnen wie Tarifvertragslaufzeiten von über 12 Monaten.

Bundesweit gab es seit Ende September viele Aktionen der Beschäftigten. Aber die Strategie in den Bezirken ist uneinheitlich. So hat zum Beispiel der IGM-Bezirk Nordrhein-Westfalen eine gemeinsame Erklärung mit dem Kapitalverband Metall NRW herausgebracht, die von Sozialpartnerschafts­ideologie sowie Appellen an die Bundesregierung nur so strotzt. Eine Art Bettelbrief, der darüber hinaus die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bejubelt. Ganz anders die Veröffentlichungen des IGM-Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen. Dort heißt es klar und deutlich: „Ohne Druck erhöhen die Arbeitgeber die Löhne um keinen Cent. Jetzt heißt es: Dagegenhalten, mobilisieren, Stärke zeigen! Wir wollen acht Prozent. Dafür treten wir ein. Kraftvoll, lautstark, solidarisch.“

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"Betteln oder kämpfen?", UZ vom 21. Oktober 2022



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