Über eine Beruhigungspille für Ostdeutsche

Betrogene Rentner

Zu den verlogenen Erfolgsmeldungen zum „Tag der deutschen Einheit“ zählte auch die angebliche Rentengerechtigkeit. Der Rentenwert Ost und West ist nach 33 (!) Jahren endlich einheitlich. Über Jahrzehnte wurden Ostrentner um hunderte von Euro monatlich betrogen. Großspurig versprochen wurde 1990, dass auch Renten im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt werden. Das sollte auch die 27 Zusatzversorgungssysteme betreffen. Tatsächlich erfolgte die Überführung nur gekürzt oder gar nicht. Obwohl Beiträge dafür eingezahlt worden waren. Zu den Betrogenen zählten unter anderem Krankenschwestern, Balletttänzerinnen und Reichsbahner.

17 Versorgungssysteme sind noch immer nicht überführt. Dazu gehören nach Sondergesetzen auch die willkürlich mit Rentenabzug Bestraften: Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und hohe Verantwortungsträger in Partei, Staat und Justiz. Als Strafe für die sozialistische DDR.

In tausenden von Verfahren vor Sozialgerichten haben vom Rentenunrecht Betroffene geklagt. Haben Petitionen eingereicht, internationale Gremien angerufen, Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht geführt. Insgesamt erfolglos. Um die aufmüpfigen Ostdeutschen endlich zur Ruhe zu bringen und das leidige Rentenproblem zu lösen, wurde ein Härtefallfonds erfunden. Daraus sollen Einmalauszahlungen erfolgen. Zur Verfügung gestellt und verwaltet von einer Stiftung wurden 500 Millionen Euro. Als Härtefall gilt, wessen Rente im Bereich der Grundsicherung, also bei gut 800 Euro im Monat, liegt. Das bedeutet, dass von etwa 500.000 Benachteiligten nur etwa 10 Prozent einen Anspruch haben. Strafrentner ohnehin nicht. Der Rest von 90 Prozent geht leer aus.

Die demütigende Regelung hat offenbar selbst Berechtigte von der Antragstellung zurückgehalten. So dass bisher lediglich etwa 14.000 Anträge vorliegen. Auch eine nun vorgesehene Verlängerung der Antragsfrist ändert am Charakter dieses Fonds nichts. Mit Gerechtigkeit haben diese Almosen nichts zu tun. Ein im Juni in Leipzig gegründeter „Runder Tisch Rentengerechtigkeit“ stellt fest, dass die jetzige Regelung neue Ungerechtigkeit schafft. Deshalb hat er eine Petition an den Bundestag auf den Weg gebracht. Man darf gespannt sein, ob das Parlament nicht nur Milliarden für Kriege locker bewilligt, sondern seiner verfassungsmäßigen Verantwortung für soziale Gerechtigkeit nachkommt.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Betrogene Rentner", UZ vom 13. Oktober 2023



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit