In Deutschland ist „Union Busting“ längst kein Fremdwort mehr

Betriebsrats-Mobbing – Mode nicht nur bei H&M

Von Manfred Dietenberger

Am Samstag, dem 14. Oktober 2017, findet ab 13.00 Uhr im Mannheimer Gewerkschaftshaus die 4. bundesweite Konferenz „Betriebsräte im Visier“ statt.

Diese Konferenz will nicht zuletzt von BR-Mobbing Betroffenen ein Forum zum solidarischen Erfahrungsaustausch und noch wirksamerer Unterstützung bieten.

Eine auf alltäglichen Erfahrungen von 159 hauptamtlichen Gewerkschaftern der IG Metall, NGG und IG BCE basierende Studie brachte folgendes Ergebnis: Jede sechste Betriebsratsgründung wird von den Unternehmen und Firmen behindert und unliebsame Beschäftigte werden schon im Vorfeld einer geplanten Betriebsratsgründung beziehungsweise einer Betriebsratswahl zum Teil massiv von den Unternehmensführungen unter Druck gesetzt. Dabei versuchen die Beschäftigten doch nur ihr gesetzlich verbrieftes Recht auf ein bisschen Mitbestimmung wahrzunehmen. Das Repertoire der Bosse und ihrer bezahlten Helfer reicht dabei von der Einschüchterung über versuchte Kündigung der Kandidaten bis zur Behinderung der Wahl selbst. Vor den Kadi gezogen werden sie für ihre kriminellen Umtriebe allerdings annähernd nie. Darin sieht der DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann „einen echten Skandal und eine Straftat“.

2009 wurde das Adjektiv „betriebsratsverseucht“ zum Unwort des Jahres gewählt. In Deutschland ist „Union Busting“ längst kein Fremdwort mehr. Konsequentes gewerkschaftliches Engagement war schon immer in den Unternehmen nicht gern gesehen und wurde – wo immer möglich – auch unterdrückt.

Die Unternehmen werden inzwischen immer kreativer, wenn es darum geht, konsequente Interessenvertretung der Beschäftigten im Betrieb zu verhindern und zu blockieren. Wer einen Betriebsrat gründen will oder Mitglied eines schon aktiven Betriebsrates ist, erfährt massiven Druck von Oben, wird bespitzelt, verleumdet, kriminalisiert oder willkürlich gekündigt. Dazu bedienen sich die Bosse immer öfter auch professioneller Fertigmacher, sprich, bezahlter Profis. Das darf dann ruhig etwas kosten, Hauptsache, es dient dazu Betriebsräte, Vertrauensleute oder Gewerkschaftssekretäre mürbe zu machen.

Doch die Beschäftigten brauchen fortschrittliche Betriebsräte, die ihnen helfen, ihre Rechte von der Kapitalseite einzufordern und durchzusetzen. So kommt „Union Busting“ bzw. Betriebsrats-Mobbing auch bei der Textilkette H&M immer mehr in Mode. Dort, wo die Kolleginnen und Kollegen unter ihren Kettenbefristungen oder Verträgen leiden, die nur wenige Stunden fest zusichern und so jede Lebensplanung unmöglich machen, hat der Betriebsrat jeden Tag Schwerstarbeit zu leisten. Der Kaufhauskonzern H&M versuchte allein in diesem Jahr in gleich drei Fällen, aktive Betriebsräte unter fadenscheinigen Begründungen zu kündigen. Einer der Betriebsräte, aus Tübingen, bekam in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Reutlingen Recht. In allen drei Fällen lag von Anfang an der Verdacht nahe, dass hinter diesem Vorgehen System steckt, dass H&M hier besonders aktive, konsequente Betriebsräte,loswerden will, die sich wirkungsvoll für die Interessen der Beschäftigten einsetzen.

Erster Fall: Im November 2016 gab es eine Kündigung gegen ein Betriebsratsmitglied einer Filiale in Leverkusen. Der Vorwurf, angebliche Selbstbeurlaubung, wurde ebenso wie die Kündigung vom Arbeitsgericht Solingen zurückgewiesen. H&M legte Beschwerde vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein.

Zweiter Fall: Im Januar 2017 erging eine Kündigung gegen den langjährigen Vorsitzenden des Betriebsrats der Filiale in Tübingen, der auch Mitglied des Gesamtbetriebsrats (GBR) ist. Nachdem H&M erfolglos versucht hatte, den Betriebsratsvorsitzenden in einem Vier-Augen-Gespräch zu einem Aufhebungsvertrag zu veranlassen, behauptete das Unternehmen, das Betriebsratsmitglied habe Arbeitnehmerrechte zum Verkauf gestellt. Als am 20. Juni der Fall verhandelt wurde, platzte der Gerichtsraum aus allen Nähten, da sehr viele Kolleginnen und Kollegen ihren Betriebsratsvorsitzenden aus der Tübinger Filiale unterstützen und ihre Solidarität sichtbar machen wollten. Das Arbeitsgericht gab dem Betriebsrat in erster Instanz Recht.

Dritter Fall: Im Mai 2017 sprach H&M gegen den Betriebsratsvorsitzenden einer Bonner Filiale, ebenfalls Mitglied im Gesamtbetriebsrat, eine Kündigung aus. Der Vorwurf lautet auf angebliche Arbeitszeitmanipulation und Selbstbeurlaubung. Der Kammertermin findet am 12. September 2017 vor dem Arbeitsgericht Bonn statt.

Immer weniger Beschäftigte haben einen Betriebsrat. Hatte in den neunziger Jahren noch die Hälfte der Beschäftigen einen Betriebsrat, so wurden 2014 in der westdeutschen Privatwirtschaft nur noch 43 Prozent aller Beschäftigten von einem Betriebsrat vertreten, in Ostdeutschland nur 33 Prozent. Der Anteil der weiblichen Betriebsratsmitglieder lag bei 30 Prozent. Wen wundert das, kommt doch heutzutage die Gründung eines Betriebsrats immer öfter einem Arbeitskampf gleich – und der Konflikt wird von Unternehmensseite auch so hart geführt.

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"Betriebsrats-Mobbing – Mode nicht nur bei H&M", UZ vom 25. August 2017



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