Am Abend des 1. März war klar: In Berlin wollen CDU und SPD wieder einmal zusammen den Senat stellen. In 15 der vergangenen 32 Jahre war das schon der Fall, man kennt sich und schätzt sich. In beiden Landesverbänden geben Frontstadtveteranen den Ton an, das heißt, Antikommunismus und Hass auf die DDR sind erste politische Pflicht. Beide fungieren als politischer Arm der alten Westberliner Baumafia – ergänzt um einige internationale Bauspekulanten – und sind abgerichtet aufs Niederknüppeln von Protest. Die Berliner PDS beziehungsweise „Die Linke“, die insgesamt fast 17 Jahre mit der SPD in der Landesregierung saß – seit 2016 ergänzt durch Bündnis 90/Die Grünen –, wurde von der SPD-Landesvorsitzenden und Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey mit „links“ entsorgt.
Das führte bei deren Führungsclique, die in mehr als 30 Jahren den „Linke“-Landesverband zum rechtesten gemacht hat, für Wutanfälle. Die Landesvorsitzende Katina Schubert schnaubte am vergangenen Freitag auf einem Landesparteitag etwas von „Unverschämtheit“, womit sich ihre politische Analyse erschöpft hatte. Auf Kita-Trotzniveau folgte noch: „Verhandlungen mit Giffey sind – auch wenn der Deal mit der CDU scheitern sollte – eigentlich nicht mehr denkbar.“ Weil die selbstverständlich unverschämt-höhnische SPD nachgetreten hatte und ihren bisherigen Partnern im Senat Mitschuld am Scheitern der Sondierungen gab, griff Schubert zum schärfsten Vokabular, das in der Linkspartei bei Verlust von Artikulationsfähigkeit üblich ist: Sie sprach von „Denunziationen“ und „erstunken und erlogen“.
Gemeint war ein internes durchgestochenes Papier der SPD-Verhandler. Darin wird nach den Sondierungen besonders den Grünen vorgeworfen, keine verlässlichen Verhandlungspartner gewesen zu sein. In „nahezu allen politischen Teilbereichen haben die Grünen erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Verabredungsfähigkeit aufkommen lassen“, heißt es. Auch mit den Linken seien keine verbindlichen Verhandlungen möglich gewesen. Die Partei stehe vor einer „Zerreißprobe“. Auf Landesebene „bestehen erhebliche Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit verabredeter Positionen in der Breite der Partei“.
Letzteres allerdings darf als Schutzbehauptung gelten: Die Gruppe um Schubert, Lederer und andere konnte sich bisher bei jedem Bruch von Wahlversprechen und trotz Wahlniederlagen auf ihre „Basis“ verlassen und weitermachen. Sie war stets bereit, jede antisoziale Aktion der SPD mitzumachen – vom Verscherbeln des städtischen Wohnungsbesitzes in den 2000er Jahren bis zum Torpedieren des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ von 2021. Die Gruppe verstand sich als Westentaschenreserve der SPD und hielt das für eine Lebensversicherung – entsprechend laut ist nun das Lamento.
CDU-Wahlsieger Kai Wegner (CDU) verkneift sich Schadenfreude. Er stellte am Sonnabend im „Tagesspiegel“-Interview faktisch sein Regierungsprogramm vor, das sich so zusammenfassen lässt: Mehr Beton, mehr Videoüberwachung, mehr Polizei und keine Umsetzung des Volksentscheids. Die Zeitung meldete auf Seite 1: „Tempelhofer Feld und A100“ – Wegner plant die Randbebauung der riesigen Freifläche und den Weiterbau der Stadtautobahn – mit demokratischem Schwänzchen: Die Bürger sollen „befragt“ werden, was auch immer das heißt. Die SPD signalisiert für Tempelhof Einverständnis, ist bei der Autobahn „ergebnisoffen“. Beide Parteien bekräftigen, dass sie den „Enteignungs“-Volksbescheid, bei dem es um Entschädigungen, also satte Profite, für Bauspekulanten geht, ablehnen und weiterhin Direktsubventionen an die Konzerne zahlen wollen. Berliner Mieten müssen endlich zu denen in London, Singapur oder Tokio aufschließen.
Differenzen gibt es bei Themen für die Kulisse: Wegen der „Silvesterkrawalle“ Vornamen abfragen – Ja oder Nein? Antidiskriminierungsgesetz? Etwas Krach könnte es wegen der Finanzen geben. Einige in der CDU wollen kostenloses Schulessen und Schülerticket abschaffen.
Es wird funktionieren. Alle befragten Wirtschaftsverbände äußerten sich bereits hochbefriedigt.