Zum Kriegsverbrecherprozess in Koblenz

Besondere Verantwortung

„Kriegsverbrecher dürfen sich nirgendwo sicher fühlen. Diesen seit den Nürnberger Prozessen gegen die NS-Hauptkriegsverbrecher international etablierten Grundsatz hat der Bundesgerichtshof bekräftigt“, schreibt Justizministerin Lambrecht auf der Website ihres Hauses. Im Hintergrund steht ein Prozess in Koblenz gegen zwei Syrer, denen Mord und Folter in ihrer Tätigkeit für den syrischen Geheimdienst vorgeworfen wird.

Im Zusammenhang mit dem Prozess werden nicht nur die Nürnberger Prozesse genannt, sondern selbst Auschwitz. Auschwitz allerdings – um nicht der Verharmlosung bezichtigt zu werden – nur indirekt, wenn es beispielsweise heißt, der Prozess habe aus der Sicht vieler Syrerinnen und Syrer eine Bedeutung wie die Auschwitz-Prozesse für Deutschland.

Es war 2002, als Deutschland sich das Recht gab, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression weltweit zu verfolgen, wenn es einen Bezug zu Deutschland gibt. Zum Beispiel Drohnenmorde, gesteuert von Ramstein aus. Oder die Nutzung der Infrastruktur, um einen Angriffskrieg vorzubereiten, wie im Falle des Irakkrieges. Oder ganz konkret die Blockade Syriens, die zu Hunger, Elend und Tod der Bevölkerung führt. Doch diese Verbrechen interessieren die deutsche Justiz nicht.

Untersucht werden sollen in dem Prozess stattdessen die Taten der beiden Angeklagten und – wie es heißt – das gesamte staatliche Foltersystem. Hauptbelastungszeuge zu diesem Aspekt ist ein Mann, der beim Bestattungsamt in Damaskus gearbeitet habe. Selbst die Tagesschau stellt in einem Bericht fest, dass seine Aussagen nicht konsistent und manche Zahlen nicht nachvollziehbar seien. Zweifel aber kommen im Gerichtsaal nicht auf.

Immer wieder wird die Erinnerung an die Nürnberger Prozesse beschworen. Wirklich ernst genommen hieße das, von den Bomben Israels, der USA und ihrer Verbündeten zu reden. Von den Dschihadisten, die nach Syrien gebracht wurden, ausgerüstet, finanziert und bewaffnet, um es zu zerstören. Der besonderen Verantwortung gerecht zu werden hieße auch, ein Ende der mörderischen Sanktionen zu verlangen und den Wiederaufbau des Landes zu unterstützen.

Das ist die Voraussetzung dafür, dass auch in Syrien Folter und Verbrechen – ob individuell oder institutionell – aufgeklärt und geahndet werden. In Deutschland sind solche Prozesse nur ein weiteres Mittel im Krieg gegen Syrien.

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"Besondere Verantwortung", UZ vom 5. Februar 2021



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