Unter den Landesverbänden der Partei „Die Linke“ funktioniert der hauptstädtische besonders geräuschlos

Berlins „Linke“ – wie geölt

Am vergangenen Sonnabend hielt der Landesverband Berlin der Partei „Die Linke“ eine „Vertreterversammlung“ ab. Auf der Tagesordnung der Präsenzveranstaltung mit etwa 150 Teilnehmern stand die Abstimmung über die Landesliste zur Bundestagswahl am 26. September – eine Routineangelegenheit mit zwei Besonderheiten.

Erstens blickt die Berliner PDS/„Die Linke“ seit 2001 auf insgesamt 15 Jahre Beteiligung am Senat zurück. Nur von 2011 bis 2016 saß die Hauptstadt-SPD mit der CDU in einer Koalition. Kein anderer „Linke“-Landesverband hat so viel Erfahrung mit dem Konzept, hier zu blinken und dort zu handeln. Letzteres bedeutet in Berlin seit 150 Jahren – mit Ausnahme von 41 Jahren DDR-Hauptstadt –, den Interessen von Bauspekulanten Genüge zu tun.

Zweitens hält sich seit fast 30 Jahren an der Spitze der Landesorganisation eine kleine Personengruppe, deren politisches Prinzip Teflon-Verhalten ist, das heißt Regierungsbeteiligung ohne Rücksicht auf Wahlniederlagen oder Mitgliederschwund. So beteiligte man sich in den 2000er Jahren am Verscherbeln großer Teile des städtischen Wohnungsbesitzes, nennt das heute „Lehrgeld“ und „Fehler“ und rühmt sich zugleich, den „Mietpreisdeckel“ durchgesetzt zu haben und außerdem den Volksentscheid „Deutsche Wohnen enteignen“ zu unterstützen. Der liefe durch üppige Entschädigungen auf einen finanziellen Reibach für die Immobilienkonzerne hinaus. Die 2016 verkündeten Ziele im Wohnungsneubau werden nicht erreicht.

Im Landesverband – etwa 7.600 Mitglieder – finden sich noch Kritiker der Leitideologie, aber just am Samstag verkündete der scheidende Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich im „Tagesspiegel“, die Gegner einer Regierungsbeteiligung seien in der Partei „hoffnungslos in der Minderheit“.

So verlief auch die Vertreterversammlung ohne Überraschungen. Einzige Ausnahme: Die Delegierten wählten nicht, wie vom Landesvorstand vorgeschlagen, den langjährigen „Linke“-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, auf Platz 2 der Liste, sondern den Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser. Wolf dürfte sein Platz 4 nicht stören, denn die vor ihm nominierten Petra Pau (Platz 1) und Gesine Lötzsch (Platz 3) werden wohl wie stets seit 2002 Direktmandate erringen.

Das gilt auch für Gregor Gysi, der erneut wie schon 2017 auf eine Absicherung per Landesliste verzichtete. Er hatte am Freitagvormittag im „Deutschlandfunk“ über die rund 470.000 Euro geplaudert, die er in der laufenden Legislaturperiode durch sogenannte Nebentätigkeit bislang eingenommen hat. Honorare für Vorträge vor bestimmten Einrichtungen lösten bei ihm „eine Art Genugtuung“ aus angesichts der Tatsache, dass man dort mit ihm Anfang der 90er kein Wort gewechselt hätte. Und wenn er 2020 „Keynote Speaker“ beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie mit einem Honorar von bis zu 15.000 Euro sei? „Der Witz ist doch, dass die Pharmazeutische Industrie mich einlädt und dann einen Vortrag bekommt, über den sie sich ärgern, und dann diskutieren sie mit mir.“ Der Slogan der Satirezeitschrift „Eulenspiegel“ – „Käuflich, aber nicht bestechlich“ – kann auf vielfältige Weise verwirklicht werden.

Gysi ist mit seinem unkomplizierten Verhältnis zur Macht nicht repräsentativ für seine Fraktionskollegen im Bundestag, wohl aber für seinen Landesverband. Der soll, hatten die Landesvorsitzende Katina Schubert sowie Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer auf einer Pressekonferenz am Freitag erklärt, weiterhin im Senat bleiben. Lederer ist Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl, die zusammen mit der Bundestagswahl am 26. September stattfindet, und meinte: „Wir haben immer gesagt: Mit uns ist die Fortsetzung von R2G denkbar und möglich. Und für uns kommen andere Optionen ehrlich gesagt gar nicht ernsthaft infrage.“ Man kann sich ans Regieren so gewöhnen wie an Vorträge bei der Pharmalobby.

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"Berlins „Linke“ – wie geölt", UZ vom 19. März 2021



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