Widerstand gegen „Öffentlich-Private Partnerschaft“

Berliner Kulturkostenexplosion

Von Hilmar Franz

Vor drei Jahren, am 23. April 2013, gab Hamburgs Bürgermeister Scholz die von den Bürgern zu tragende Verteuerung beim Bau des Prestigeprojekts „Elbphilharmonie“ bekannt: 789 Millionen Euro anstelle der anfangs angegebenen 77 Millionen. Aus der stets intransparenten, aber allmählich wieder salonfähig geredeten Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) resultieren bisher zehn Prozent Mehrkosten – statt der von privaten „Investoren“ versprochenen Einsparungen für den öffentlichen Haushalt der Hansestadt.

22. April 2016: Diese Logik durch Ratenvergleich zugrunde gelegt, kämen auf Berlin mit 3,7 Milliarden Euro anstelle von 358 Millionen weit explosivere Kosten zu. Nämlich wenn nach diesem profitscheffelnden Verfahren auch das 2021 fertigzustellende „Museum der Moderne“ – auf dem Kulturforum an der Potsdamer Straße – gebaut wird. Gegen eine entsprechende Modell-Favorisierung durch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) protestierte vor Ort und zu einem gezielten Datum der privatisierungskritische Verein „Gemeingut in BürgerInnenhand e. V.“ (GiB) zusammen mit Erstunterzeichnern für ein neu entstehendes Bündnis aus Politik, Kultur, Gesellschaft und Medien.

Privates Kapital in die Errichtung öffentlicher Institutionen „einzubinden“ werde den Bau in jedem Fall teurer machen als konventionelle Verfahren. Denn die meisten ÖPP-Verträge enthalten geheime Gewinngarantien und erpressen, wie TTIP und CETA, mit Schiedsverfahren hinter verschlossenen Türen. „Das Erpressungspotential liegt bei denen, die diesen Vertrag bauseitig haben“, sagt Carl Waßmuth, Vorstand Gemeingut in BürgerInnenhand. „Doch die Kulturstaatsministerin redet das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung weiter schlecht und behauptet, es könne das Museum des 20. Jahrhunderts nicht unter Einhaltung des Kostenrahmens bauen.“

Das Museum des 20. Jahrhunderts (M 20) ist noch in der Planungsphase, also noch nicht in der Haushaltsabstimmung und endgültigen Vertragsschließung. Das ist eine Chance für anlaufende GiB-Presseaktionen, für Versuche, Einfluss zu nehmen. Die „öffentlich-private Partnerschaft“, die Aktivisten kennen sie „aus dem ff“ von den nach sieben Jahren Kampf wieder in die öffentliche Hand überführten Berliner Wasserbetrieben, soll hier über 28 Jahre laufen. Für die Bauphase sind etwas mehr als zwei Jahre geplant. Carl Waßmuth: „Es geht darum, dass Bürgerinnen und Bürger über dieses Kulturforum sprechen, wissen, was hier gebaut, wie es gebaut wird, und wo wir die Gelder einsetzen. Um darüber eine mehrheitliche Verständigung zu erreichen, müssen wir jetzt dranbleiben, bevor es zu spät ist.“

Kürzlich hatte schon der Berliner Bund der Architekten in einem offenen Brief grundlegende Änderungen in der Ausschreibung für den Realisierungswettbewerb des Museums in diesem lückenhaften urbanen und kulturellen Zentrum zwischen Neuer Nationalgalerie und Philharmonie gefordert. Der Wettbewerb solle nicht an investorengesteuerte, qualitativ bedenkliche Vorgaben eines ÖPP-Verfahrens gekoppelt werden, sondern im Gegenteil die ernsthafte Möglichkeit der Entwicklung eines übergeordneten städtebaulichen Konzepts einschließen. Es gäbe keinen Anlass, die Qualität einer künftigen Architektur durch ein ÖPP-Verfahren zu riskieren und in Mitleidenschaft zu ziehen. Um die Schenkungen der Privatsammlungen Marx, Marzona und Pietsch von Kunstwerken aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Berlin öffentlich zugänglich zu machen, ist eine Ausstellungsfläche von 14 000 Quadratmetern auf mehreren Etagen geplant.

Die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus und der Kulturpolitiker im Abgeordnetenhaus Notker Schweikhardt beteiligten sich für die jeweiligen Fraktionen ihrer Grünen-Partei am ersten Fototermin des entstehenden Bündnisses. Berlin benötige kein Baudebakel nach dem Modell der Elbphilharmonie. Als steuerpolitische Fraktionssprecherin stellte Lisa Paus das unsinnige ÖPP-Modell auch deshalb in Frage, weil der Haushaltsausschuss des Bundestags bereits 200 Millionen Euro für M 20 genehmigt und die ersten 2,4 Millionen Euro freigegeben hat: „Es braucht kein externes Geld. Die von Grütters eingeholte Wirtschaftlichkeitsstudie weist ganze sechs Prozent Einsparung gegenüber einer reinen Finanzierung durch die öffentliche Hand aus. Zum zweiten ist ÖPP falsch, weil es an dieser herausragenden, städtebaulich schwierigen Stelle Transparenz und Bürgerbeteiligung verhindert.“

Dies ist Notker Schweikhardts aufklärender Arbeitsschwerpunkt gegen die Intransparenz, mit der dieser Prozess durch Grütters Kulturstaatsministerium vorangetrieben wird. In den verbleibenden Monaten bis zur endgültigen Entscheidung im Dezember 2016 will er den öffentlichen Disput fort- und ÖPP ad absurdum führen. Den Realitäten angepasst solle um ein „bestmögliches Museum“ und um einen städtebaulichen Wettbewerb gerungen werden. „Man braucht einfach einen Platz, auf dem sich das öffentliche Leben abspielt. Die fehlende Sorgfalt und die Intransparenz, mit der hier verhandelt und versprochen wird, mit der Grundstücke getauscht und private Interessen durchgedrückt werden, haben Auswirkungen für die nächsten Jahrzehnte. Dafür, dass das Kulturforum nicht als Ganzes gedacht, geplant und gepflegt wird, ist ÖPP jetzt schon der verzweifelte Versuch, einen Sündenbock zu finden.“

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"Berliner Kulturkostenexplosion", UZ vom 29. April 2016



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