Zu den Entlastungskämpfen an Charité und Vivantes

Berlin macht es vor

Nora Hachenberg

Schon 2016 schaute das linke Deutschland nach Berlin, als die Kolleginnen und Kollegen der Berliner Charité den Kampf für einen Tarifvertrag Entlastung aufnahmen und mit ihren Streiks die erste Regelung dieser Art in diesem Land durchsetzten. Wie viel dieser Startschuss veränderte, war damals nur zu vermuten. Die neue Dimension, eine Begrenzung der Arbeitsmenge tarifvertraglich zu vereinbaren, was die Qualität der Arbeit und damit die Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten verbessert hat, war früh erkennbar. Die vier Jahre danach haben dann vor allem gezeigt, dass immer mehr Klinikbelegschaften bereit waren, den Kampf für mehr Personal und Entlastung aufzunehmen. Mit dem Bettenschließungsstreik hatten sie nun auch das Arbeitskampfmittel, das sie weitgehend aus dem Dilemma „Streiken auf dem Rücken der Patienten“ befreite. 17 Tarifverträge dieser Art sind seitdem in deutschen Kliniken erkämpft worden, viele weitere Krankenhausbeschäftigte sind bereit für die Auseinandersetzung.

Jetzt, fünf Jahre später, kommt der aktuellen Tarifauseinandersetzung in Berlin erneut eine herausragende Bedeutung zu. Die Beschäftigten von Charité und Vivantes haben ihre gemeinsamen Ziele in einem betriebsübergreifenden Kampf zusammengeführt. Sie streiken neben der Entlastung auch dafür, dass die Beschäftigten der Tochtergesellschaften nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst bezahlt werden. Sie wollen damit die Kapitalstrategien der Ausbeutung durch menschenunwürdige Personalschlüssel und das Lohndumping in Tochtergesellschaften durchkreuzen. Die Kolleginnen und Kollegen setzen damit auch die Frage, ob ver.di den Interessen der Beschäftigten folgt und die notwendigen Arbeitskämpfe für Entlastung ausweitet und bundesweit organisiert, auf die Tagesordnung.

Mit dieser Weichenstellung wäre es möglich, die verheerende Berufsflucht aus den Krankenhäusern zu stoppen, weil die Kolleginnen und Kollegen wieder eine Perspektive auf Veränderung hätten. In der aktuellen Phase der Verteidigungskämpfe könnte das Kapital in seinen Angriffen auf unsere Gesundheit und Lebensqualität zurückgedrängt, wenn nicht gestoppt werden. Denn das Interesse an billiger Gesundheitsversorgung hat die gesamte Kapitalistenklasse, nicht nur die großen Klinikkonzerne mit ihrer direkten Profitgenerierung. Selten gibt es noch bessere Gründe für die Solidarisierung mit den Kämpfen von Beschäftigten.

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"Berlin macht es vor", UZ vom 3. September 2021



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