Zwei Reden hielt Wladimir Putin in der vergangenen Woche. Die erste, in der der Präsident der Russischen Föderation die Volksrepubliken Donezk und Lugansk (spät) anerkannte, die zweite, in der er die „spezielle Militäroperation“ gegen die Ukraine verkündete. Beide verdienen, von Linken gelesen zu werden, weil sie mit einer Illusion aufräumen, die es unter Linken und Friedensfreundinnen und -freunden gab: dass das heutige Russland etwas anderes sei als ein kapitalistisches Land und sein Präsident etwas anderes als ein bürgerlicher Machtpolitiker, der sein Regiment auf einen Kompromiss mit den ökonomisch Mächtigen seines Landes gründet. Mit dieser Illusion hat Putin mit seinen nationalistisch-völkischen Tiraden, mit denen er der Ukraine das Recht auf Staatlichkeit absprach, und mit seinen Äußerungen zur „Dekommunisierung“ aufgeräumt: „Und jetzt haben ‚dankbare Nachkommen‘ Lenin-Denkmäler in der Ukraine abgerissen. … Sie wollen die Entkommunisierung? Nun, das passt uns ganz gut.“ Mit diesem Satz verhöhnt Putin die Kiewer Junta und ihre Bandera-Nazis, die ihm wohl noch nicht genug Denkmäler für die Befreier abgerissen und Staatsbetriebe privatisiert haben. Raum für Sowjetnostalgie bleibt in Putins Russland nicht.
Dennoch bleibt Russland der Angegriffene. Die Strategie der westlichen „Demokratien“ war in den letzten 30 Jahren gegen die Russische Föderation dieselbe wie vor 90 Jahren, als sie dem deutschen Faschismus und dem japanischen Militarismus das Gelände für den Angriff auf die Sowjetunion zu planieren halfen: Mit der japanischen Besetzung der Mandschurei, dem deutsch-britischen Flottenabkommen und dem Wegsehen bei der Aufrüstung der Wehrmacht, dem Nichtangriffspakt Pilsudski-Polens mit Nazi-Deutschland, dem Antikominternpakt, der Preisgabe Österreichs, der Tschechoslowakei und Chinas, dem Hinauszögern von Verhandlungen mit Moskau über ein Abkommen zur gegenseitigen Sicherheit. Diese Strategie scheiterte mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom 24. August 1939, der der UdSSR noch knapp zwei Jahre verschaffte, um sich auf den Überfall der Nazi-Armeen vorzubereiten.
Russland spielt dem „Wertewesten“ jetzt die schrille Melodie vor, zu der die Menschen in Serbien, im Irak, in Libyen tanzen und sterben mussten. Ob die „Operation“, zu deutsch: der Krieg, gegen die Ukraine zu einem Umdenken im Westen und langfristig zum Frieden führt, ist offen. Zu wünschen ist es.