Daimler ist eines der mächtigsten Unternehmen in Deutschland. In den jetzt laufenden Tarifverhandlungen führt das Vorstandsmitglied Wilfried Porth für den Unternehmerverband Südwestmetall in Baden-Württemberg die Tarifverhandlungen. In diesem Bundesland sind fast 500.000 Menschen und ihre Familien direkt oder indirekt von der Automobilindustrie abhängig. Sie bauen Autos, die in der ganzen Welt begehrt sind – wegen ihrer Qualität und ihres Komforts. Darauf sind sie zurecht stolz, denn diese Fahrzeuge sind komplexe Produkte, die sie gemeinsam in den Entwicklungsbüros, im Vertrieb, der Logistik, an SAP-Systemen und natürlich in den Produktionshallen herstellen.
Trotz guter Tarifverträge, die die Beschäftigten in Jahrzehnten erkämpft haben, stehen sie stets in der Gefahr, ihre Jobs zu verlieren. So ist es auch derzeit, in der aktuellen Krise, die für den Kapitalismus „normal“ ist und deren Ursache nichts mit Corona zu tun hat. Das Kapital will Pandemie und Krise nutzen, „um stärker als zuvor aus der Krise herauszukommen“ und sie will die Krisenlasten auf die Werktätigen abwälzen. Das ist das formulierte Ziel der Unternehmerverbände für 2021: „Wir können uns keine weiteren Kostenbelastungen leisten“, so reagierte Südwestmetall-Chef Porth auf die Forderungen der IG Metall in der Tarifrunde. Er sitzt nicht nur am Verhandlungstisch in Baden-Württemberg, sondern auch im „Tarifpolitischen Vorstand“ von Gesamtmetall.
Solche Mehrfachfunktionen sind bei den Unternehmensverbänden normal. Daimler und Siemens sitzen in vielen lokalen Gremien der Verbände der Metallunternehmer und sorgen dafür, dass die Löhne überall niedrig bleiben – und die Dividenden hoch. Daimler will sowohl die Lohnkosten im eigenen Betrieb niedrig halten als auch die Löhne bei den Zulieferbetrieben minimieren – und damit auch die Preise. Dass beim letzten Autogipfel im Oktober 2020 vor allem die Zulieferbetriebe mit Milliarden bedacht wurden, damit kommen Daimler, VW, BMW und Porsche gut klar. Sie profitieren indirekt davon. Hauptsache, die eigenen Kosten sinken.
Zurück zu Daimler. Als im November 2020 die erste Tarifrunde im Südwesten angelaufen war, tönte Porth lauthals: „Mehr Geld kommt überhaupt nicht in Frage.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte die „FAZ“ bereits die Quartalszahlen für das abgelaufene 3. Quartal bekannt gegeben und damit die Lügen des Daimler-Vorstands widerlegt: „Daimler überrascht mit Gewinn von mehr als 3 Milliarden Euro.“ Im 4. Quartal lief es sogar noch besser, der Konzern konnte mehr Gewinn einfahren als erwartet. Laut Finanzportal „wallstreet:online“ erklärt Daimler die guten Zahlen so: „Man habe das Geschäftsjahr mit einem sehr starken vierten Quartal abgeschlossen, erklärte der Konzern. In der Pkw- und Van-Sparte seien die Kennzahlen des Vorjahres übertroffen worden. Dort habe man sowohl von einem Anstieg der Verkaufszahlen bei den Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen als auch von einem starken Finanzergebnis profitiert. In der Truck-Sparte wiederum spüre man die Erholung des US-Markts und im europäischen Geschäft die positiven Auswirkungen der Maßnahmen für mehr Effizienz.“
Für sich und die Aktionäre gilt die Ansage von Porth, „Mehr Geld“ komme „überhaupt nicht in Frage“, also nicht. Daimler will an die Aktionäre auch 2021 wieder Dividenden zahlen. Die werden vermutlich denken: „Wir haben das verdient“ – denn die Daimler-Aktie steht bei 60 Euro und damit 10 Euro höher als vor einem Jahr.
Das Geld ist offensichtlich da. Eine Nullrunde ist nicht zu rechtfertigen und auch kein Abbau von Stellen. Das lautstarke Gejammer von Verhandlungsführer Porth verdient eine lautstarke Antwort auf der Straße.
Das Kapital im Blick
„Es gibt nichts zu verteilen in unserer Industrie“ – mit dieser Ansage von Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf geht das Kapital in die Verhandlungen zur Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie. Die Forderungen der IG Metall fielen „völlig aus der Zeit“, so Wolf. Schließlich sei Corona und Krise, es gebe Produktionsrückgänge und steigende Arbeitskosten.
Unser Autor Stefan Kühner hinterfragt diese Aussagen und schaut konkret, wie es um die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie bestellt ist.
Kühner ist Autor von „Neue Technik, Neue Wirtschaft, Neue Arbeit?“, erschienen bei PapyRossa.