Zu Lauterbachs Krankenhausreform

Behandlung vergeigt

Nora Hachenburg

Was die Problemdiagnose angeht, überraschte Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit ausgesprochener Klarheit, als er seine Pläne für eine Krankenhausreform vorstellte: „Das Hauptproblem ist, dass wir seit Jahren im Krankenhaus alles mit Fallpauschalen bezahlen. Damit dominiert die Ökonomie im Krankenhaussystem. Die Krankenhäuser müssen durch dieses System immer so billig wie möglich und so viel wie möglich behandeln.“

Wenige Sekunden lang ließ er Hoffnung aufkommen, dass die Forderung nach Abschaffung der Fallpauschalen und das Zurückdrängen des Profits aus den Krankenhäusern endlich von Erfolg gekrönt sein würde. Angesichts der zunehmenden und für alle sichtbaren akuten Probleme in den Krankenhäusern – zuletzt am deutlichsten im Bereich der Kinderkliniken – wirkte es auch plausibel, dass endlich eine radikale Umkehr in der Gesundheitspolitik erfolgen muss. Und schließlich hatte Lauterbach selbst nicht weniger als eine „Revolution“ angekündigt.

Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße: Mit der Ankündigung, dieses Fallpauschalensystem jetzt zu überwinden, erklärte Lauterbach dann, dass das Ergebnis der Regierungskommission, die seit einem halben Jahr im Auftrag der Regierung an der Krankenhausvergütungsreform arbeite, auch Grundlage seines Handelns für die nächsten drei Jahre sein werde. Man werde das Fallpauschalensystem … fortführen! Auch wenn es durch Vorhaltepauschalen – also einen Anteil an fallunabhängiger Vergütung – eingeschränkt wird, bleibt das über die Fallpauschalen ermittelte Gesamtvolumen der Krankenhausvergütung das Gleiche. Die Unterfinanzierung bleibt also bestehen. Und vor allem werden in den Krankenhäusern, wo heute richtig viel Profit gemacht wird, die Fallpauschalen weiter der Hebel sein, um mit der gleichen Logik wie bisher möglichst viele Fälle möglichst billig zu behandeln.

Ausschließlich in den Krankenhäusern, die in der zukünftigen Klassifizierung als Level-I-Häuser ohne Notfallversorgung die wohnortnahe Versorgung sicherstellen sollen, werden die Fallpauschalen abgeschafft und sollen durch Tagespauschalen ersetzt werden. Ach ja, diese Tagespauschalen werden geringer, je länger ein Patient dort liegt, ein Schelm, wer hier schon wieder die Ökonomie im Krankenhaus sieht.

Trotzdem ist die fallpauschalenunabhängige Sicherstellung von wohnortnaher Versorgung eine Forderung, für die Patientenverbände, Initiativen und die Gewerkschaft ver.di seit Langem kämpfen. Wenn aber schon die Fallpauschalen im System erhalten bleiben, wird im kommenden Gesetzgebungsverfahren zur Krankenhausreform ein Weg gefunden werden, wie sich entweder auch in diesen Häusern Profit machen lässt oder der unprofitable Teil der Versorgung den Kommunen überlassen bleibt. Bei der bekannten und gewollten Unterfinanzierung der Kommunen wird das wirkliche Ziel der Regierungen, weiter Krankenhäuser zu schließen und Betten abzubauen, durch diese angekündigte Krankenhausreform jetzt bundesweit noch mehr Fahrt aufnehmen.

Dass das Kapital und seine Regierung überhaupt gezwungen sind, die Frage Profit im Gesundheitswesen aufs Tableau zu heben, zeigt aber, wie unfähig der Kapitalismus ist, Gesundheit für die Bevölkerung sicherzustellen. Und es zeigt, wie groß die Angst vor weiteren und großen Streiks in diesem Bereich ist, in der die Interessen von Beschäftigten und der gesamten Arbeiterklasse dieselben sind. Nicht, dass die Beschäftigten plötzlich noch anfangen, von Revolution zu sprechen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Behandlung vergeigt", UZ vom 16. Dezember 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Herz.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit