GE Power vernichtet 1 700 Arbeitsplätze – Nach 28 Jahren Widerstand eine bittere Niederlage

Begräbnis erster Klasse

Von Joachim Schubert

Nach zahlreichen Arbeitsniederlegungen, Demonstrationen, Kundgebungen und zähen Verhandlungen kam es Anfang Februar zu einem Verhandlungsergebnis in der Einigungsstelle des Arbeitsgerichtes Mannheim für die Standorte Mannheim, Bexbach und Stuttgart. Demnach kann der GE-Konzern die Anfang 2016 angekündigten rund 1 700 Arbeitsplätze abbauen, muss dafür aber einen hohen Preis in Form eines gut ausgestatteten Sozialplans zahlen, der deutlich teurer als geplant ausfällt. Die Fabriken in Mannheim und Bexbach werden geschlossen; am Kesseltechnik-Standort Stuttgart wird die Belegschaft halbiert.

Für den Mannheimer Standort bedeutet das:

1. Von den Anfang 2016 noch vorhandenen rund 1 800 Arbeitsplätzen werden Ende 2018 rund 700 in den Bereichen Kraftwerksservice und Dampfturbine (Projektleitung, Konstruktion, Abwicklung) übrig bleiben -jedoch ohne eine Perspektive hinsichtlich Beschäftigungs- und Standortsicherung. Ein Umzug oder Schließung des Reststandortes ist somit ab 2018 nicht ausgeschlossen.

2. Die Schließung der Turbinenfabrik (rund 400 Beschäftigte) wird von Juli 2017 auf 2018 verschoben. Bis dahin wird weiter nach Investoren gesucht. Eine Ausgründung zweier Fabrikabteilungen wird ermöglicht. Die Ausbildung der derzeitigen Lehrlinge wird bis zu deren Abschluss weitergeführt.

3. Da im Jahre 2016 bereits rund 400 Beschäftigte über Altersteilzeit und Aufhebungsverträge ausgeschieden sind, müssen rund 700 in sogenannte Transfergesellschaften wechseln und sind bis zu 18 Monaten mit 85 Prozent ihres Jahresbruttoverdienstes vor Arbeitslosigkeit abgesichert.

4. Die Abfindungssummen liegen über dem 1,5-fachen eines Bruttomonatsgehalts.

5. Einem Teil der altersgesicherten Beschäftigten werden Ersatzarbeitsplätze angeboten.

Unter dem Eindruck der langen Auseinandersetzung und ihres ernüchternden Abschlusses ist es derzeit nur möglich, eine vorläufige und sicherlich noch unvollständige Einschätzung zu geben. Die gute Ausstattung des Sozialplans ist dem für die Branche relativ hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad, der vollen Unterstützung der IG Metall und dem einheitlichen, solidarischen Widerstand der Beschäftigten und ihrer Betriebsräte zu verdanken. Dieser reichte jedoch erstmals in der 28-jährigen Geschichte des Widerstandes nicht aus, um Arbeitsplätze zu retten. Das kann mehrere Gründe gehabt haben:

Die jüngste Auseinandersetzung fand in einem Zeitraum statt, in dem weltweit Überkapazitäten im Kraftwerksbau abgebaut wurden. Die konzerninterne Standortkonkurrenz war noch nie so groß wie unter GE. Noch nie hatten es die deutschen Belegschaften mit einem solch starken, knallharten und erfahrenen ausländischen Konzern zu tun.

Die eigentlichen GE-Ziele bei der Übernahme des ALSTOM-Kraftwerksgeschäfts wurden von Betriebsräten und Belegschaften zu spät erkannt. Es herrschte zu lange die Illusion vor, GE würde in Europa expandieren. Es gab in Teilen der Belegschaften und der deutschen und europäischen Betriebsräte die falsche Hoffnung, man könne GE mit Argumenten überzeugen und von gefassten Schließungsplänen abbringen. GE gehört jedoch zu den amerikanischen Konzernen, die einmal gefasste Beschlüsse knallhart durchziehen und sich auch nicht von sozialpartnerschaftlichen Formulierungen im Betriebsverfassungsgesetz beeindrucken lassen. Deshalb hat es sich nicht gelohnt, die schon von ALSTOM geplanten Fabrikschließungen erst unter GE offen anzugehen. 2013/2014 hätten die Belegschaften größeren wirtschaftlichen Druck erzeugen können.

Sowohl in den Belegschaften als auch in den Vertrauensleutekörpern und Betriebsräten ist es in den letzten zehn Jahren zu einem Generationswechsel und damit zu einem geänderten gewerkschaftlichen und politischen Bewusstsein gekommen. Zuwenig wurde innerhalb der IG Metall, der Betriebsräte und Vertrauensleute darüber gesprochen, welche Vorteile eine Verstaatlichung hätte. Zuwenig wurde darüber nachgedacht, an welchen Stellen GE druckempfindlich ist und ob es neben oder parallel zum im Betriebsverfassungsgesetz beschriebenen Weg der Konfliktlösung weitere Möglichkeiten gäbe. Auch neue Kampfformen -wie die Einbeziehung von Stammkunden- gehören dazu. Die Möglichkeiten, die sich aus der immer noch guten Auftragslage in Mannheim beispielsweise in den Bereichen Dampfturbinen und Inbetriebnahme ergaben, wurden unterschätzt. Zuwenig wurden die örtlichen Betriebsräte und Vertrauenskörperleitungen bei Entscheidungen über Strategie und Taktik einbezogen.

Die Hilfe vom deutschen Wirtschaftsminister kam zu spät. Beim Übernahmepoker in 2015 hat er uns im Stich gelassen und im Gegensatz zu anderen Fällen darauf verzichtet, Standort- und Beschäftigungsgarantien einzufordern.

Im Nachhinein betrachtet war 2014 die Forderung unter anderem der französischen Gewerkschaften nicht verkehrt: Statt ALSTOM an GE zu verkaufen, forderten sie damals die Verstaatlichung von ALSTOM.

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"Begräbnis erster Klasse", UZ vom 17. März 2017



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