Auf den Straßen der Welt gibt es einen hunderttausendfachen Aufschrei der Empörung über den Völkermord, den die israelische Regierung mit Unterstützung der USA und in Europa vor allem Deutschlands in Gaza verübt. In Düsseldorf, Essen, Berlin und anderswo trotzen zehntausende vor allem junge Menschen den Versuchen, die Flagge Palästinas, das Tragen von Palästina-Tüchern und jegliche kritische Äußerung zu Israels Apartheidpolitik gesellschaftlich zu ächten oder sogar unter Strafe zu stellen.
Am 9. Mai wurde das Zeigen der Fahne der Sowjetunion, der Fahne der Befreiung Europas vom Faschismus, in Berlin mit polizeilicher Gewalt unterbunden. Jetzt wird der Krieg um Gaza zum Anlass genommen, die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht nicht nur durch mediales Dauerfeuer, sondern durch Verbote noch mehr einzuschnüren. Die juristische Verfolgung von Meinungen erreicht einen neuen Höhepunkt – mit dazu beigetragen haben die Gesetzesverschärfungen der letzten Monate.
Das Ampel-Kabinett heizt die kriegerische Atmosphäre im Land an: Bundeskriegsminister Boris Pistorius (SPD) fordert mehr Kriegsbereitschaft. Der Ukraine wird zugesichert, dass der Strom von Waffen nicht abreißen werde. Sowohl die Bundeswehr als auch die Bundespolizei haben ihre Elitetruppen in den Nahen Osten beordert – ausdrücklich nicht nur zur „Geiselbefreiung“, sondern, in den Worten des Ministers: „Sowohl die GSG 9 als auch das KSK können grundsätzlich mehr als das.“
Das alles geschieht vor dem Hintergrund zunehmender innenpolitischer Spannungen. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung wies letzte Woche auf die „wachsende Ungleichheit“ in der Republik hin. Seit Ende der 1990er Jahre – also mit ein wenig Verzögerung nach der Konterrevolution in der DDR – hätten sich die Einkommen immer stärker auseinanderentwickelt. Rund die Hälfte der dauerhaft in die Armut Gestoßenen hätten ihr „Vertrauen in den Bundestag“ verloren. Die vor allem bei Nahrungsmitteln, Mieten und Heizkosten weiter an den spärlichen Einkommen nagende Inflation vertieft diese Kluft und den Frust.
Den am 9. November 1923 noch dilettantisch vorgetragenen Putsch Adolf Hitlers nutzten die Herrschenden, um das Krisenjahr 1923 zu überwinden. Die linkssozialdemokratischen Landesregierungen von Sachsen und Thüringen waren zerschlagen, der Aufstand der Hamburger Arbeiter liquidiert. Es folgten der Abbau demokratischer und sozialer Rechte, die Aushöhlung der Weimarer Republik im Interesse des Monopolkapitals. Kurze Zeit später, 1925, wurde Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt. Er übergab 1933 die Regierung an den gescheiterten Putschisten Adolf Hitler.
Knapp 100 Jahre später veröffentlicht Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) ein viel gelobtes Video. Mit staatstragendem Blick liest Habeck im schwarzen Anzug die neue deutsche Staatsräson vor. Er erteilt der reaktionären israelischen Regierung nicht nur einen Freibrief für die Auslöschung der Palästinenser. Jeglicher Kritik daran drückt er das Stigma „Antisemitismus“ auf. Habeck stellt fest, der Zweite Weltkrieg sei „ein Vernichtungskrieg gegen Juden, für das Naziregime war die Vernichtung des europäischen Judentums das Hauptziel“. Die Reduzierung des deutschen Faschismus auf den Holocaust relativiert die Welteroberungsabsichten und die Vernichtung von 27 Millionen Sowjetbürgern. Auch für Habeck zählt nur, die Kriegsbereitschaft zu erhöhen.
Es naht der Moment, wo sich die Mitglieder der Ampel kamerawirksam bei Sitzungsbeginn Stahlhelme aufsetzen, um ihre Entschlossenheit zu demonstrieren.
Die politisch durch den Sanktionskrieg gegen Russland und die Aufrüstung beschleunigte Massenverarmung in Deutschland und der aus dem politischen Zentrum heraus forcierte Abbau demokratischer Rechte unterspült immer spürbarer die Grundlagen dieser Republik. Immer dringender wird die Stärkung klassen- und geschichtsbewusster politischer Kräfte, die den Widerstand gegen diesen Wahnsinn organisieren.