Worum es bei den Protesten in Hongkong wirklich geht
Wenn in Hongkong die Gewalt eskaliert, Demonstranten mit Brandsätzen werfen und Polizisten zusammengeschlagen werden, steht in Deutschland die bürgerliche Presse Kopf: Die Randalierer seien in Wahrheit »Demokraten«, die sich »verzweifelt« gegen eine »Diktatur« zur Wehr setzten. Da es ihnen um »Freiheit« gehe, seien sie zu unterstützen – und tatsächlich, manche der Anführer der Hongkonger Demonstrationen haben schon offiziell Asyl in der BRD erhalten. Einer der schlimmsten Hetzer (»heute befreien wir Hongkong, morgen ganz China«), Joshua Wong, wurde gar vom deutschen Außenminister empfangen. Was ist da los? Und warum begrüßen Bild, Spiegel und FAZ plötzlich derartige Randale? Wer sich noch an den G7-Gipfel in Hamburg erinnert, muss sich die Augen reiben: Gewalt gegen Polizisten, plötzlich begrüßenswert?
Worum es eigentlich geht
Natürlich nicht generell, nur in Hongkong. Es steht nicht zu erwarten, dass dieselben Blätter, die die Feuerteufel und Schläger in der früheren britischen Kronkolonie feiern, morgen über eine Hausbesetzung oder eine antifaschistische Demonstration in einer deutschen Stadt mit ähnlicher Sympathie berichten werden. Denn da sind die bürgerlichen Blätter genauso parteiisch wie der Bundesaußenminister: Alles, was sich gegen die Volksrepublik China richtet, wird unterstützt – egal, ob es islamistische Rebellen im Westen des Landes sind, tibetische Separatisten oder Anhänger des britischen Kolonialismus in Hongkong. Die VR China ist, wie die EU festgestellt hat, ein „Systemkonkurrent“. Das heißt, das chinesische Gesellschaftsmodell ist mit dem des Westens nicht nur unvereinbar, sondern sogar in einem Wettbewerb befindlich. In dieser Frage sind sich das deutsche und das US-Kapital weitgehend einig. Auch die BRD und die USA sind Konkurrenten – wirtschaftlich, politisch, historisch oft genug auch militärisch. Doch in beiden Ländern herrscht Kapitalismus, das ist für beide Seiten berechenbar. China hingegen „ist im Begriff, sein eigenes politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Modell zu verwirklichen“, so der Arbeitgeberverband BDI. Er stellt fest: „Das ’neue China‘ unter Präsident Xi ist gekennzeichnet durch die führende und nicht disponible Rolle der Partei in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft“. Das treibt das deutsche Kapital zur Weißglut. Sie dürfen – zumindest eine Zeit lang – Profit machen, haben aber politisch nichts zu sagen.
Stimmungsmache gegen China
Dass Deutschland in Hongkong traditionell keinen Einfluss hat, stört die Strategen im Auswärtigen Amt relativ wenig. Weder in der deutschen, noch in der US-Regierung glaubt irgendjemand ernsthaft, dass Hongkong »unabhängig« von China werden oder als Kolonie zu Großbritannien zurückkehren könnte. Die Randale werden benutzt, um Chinas Kräfte zu binden und im Westen antichinesische Stimmungen zu schüren. Den Menschen der Stadt (die besser für soziale Forderungen auf die Straße gehen sollten, anstatt mit Union Jack und Star Sprangled Banner herumzuwedeln) nützt das alles nicht.