Die letzten Hochburgen des IS im Nordosten Syriens, in al-Raqqa und Deir Ezzor, brechen zusammen. Auf der einen Seite rückt die syrische Armee vor, auf der anderen das Militärbündnis SDF, zu dem die „Kurdischen Volksverteidigungseinheiten“ (YPG) gehören.
Als der erste französische Soldat der westlichen Koalition in dieser Region starb, sprach der französische Staatspräsident Macron davon, er hätte dort die Freiheit Frankreichs verteidigt. Verteidigen die SDF in al-Raqqa, Deir Ezzor und bis zur irakischen Grenze die Freiheit Rojavas? Oder wollen sie nur immer weitere Gebiete besetzen, um einen Staat zu gründen, der mehr oder weniger föderaler Teil Syriens ist? Oder geht es um Befreiung und Emanzipation, die ein Viertel des syrischen Staatsgebietes erreichen soll, wie der Sprecher der SDF, Talal Silo, einmal angekündigt hatte? Es wäre naiv, sich auf papierene Erklärungen zu verlassen, statt Interessen und Aktionen zu betrachten.
Wie zu Zeiten des Goldrauschs am Klondike stecken die SDF ihre Claims ab. Sie besetzen die Öl- und Gasfelder im Gouvernement Deir Ezzor und wollen bis zum wichtigen Grenzübergang Abu Kamal vordringen. Die Kämpfe um al-Raqqa nähern sich ihrem Ende und so ist der Wettlauf zur Grenze jetzt in seiner heißen Phase
Dieser Wettlauf geht soweit, dass Einheiten der SDF sogar die syrische Armee – und damit zugleich ihre russischen Berater – bombardierten um sie aufzuhalten. Das russische Verteidigungsministerium machte deutlich, dass es solche Angriffe nicht dulden würde. Zugleich meldet das russische Verteidigungsministerium, US-Spezialeinheiten würden SDF-Truppen kampflos zwischen Stellungen des IS hindurchleiten, damit sie ihre Ziele schneller erreichen. Der Antrieb der SDF mag dabei weniger in den Sicherheitsinteressen Rojavas liegen, als in den Interessen ihrer US-Verbündeten.
Denn die USA haben nicht Milliarden Dollar für die Zerstörung Syriens ausgegeben, um sich dann erfolglos abzuwenden. Wenn schon der Kern des syrischen Staates nicht zerstört werden kann, soll doch wenigstens die Peripherie aus Syrien herausgebrochen werden. Die potentiellen Öl- und Gaseinkünfte des Landes sollen geschmälert werden, die Verbindung zwischen Iran, Syrien und der Hisbollah soll erschwert werden.
Die Emanzipation des kurdischen Volks ist eine notwendige Bedingung für ein respektvolles Zusammenleben der verschiedenen Völker in Syrien und der Region. Und so müssen sich die Freunde und Unterstützer der kurdischen Sache fragen, was wohl der kurdischen Identität, Souveränität und Emanzipation mehr dient: Die strategische Partnerschaft mit den USA – oder Verhandlungen, Vereinbarungen und Zusammenarbeit mit der syrischen Regierung.