Tarifrunde Metall und Elektro: Arbeitszeit runter, Löhne rauf!

Befragung gestartet

Christa Hourani, Benedict Kolbe, Nikos Papadopoulos

Am 22. April startete die IG Metall eine bundesweite Befragung der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Diese Befragung ist Teil der Tarifrunde in diesem Jahr und läuft bis zum 26. Mai. Ab Juni werden die Forderungen diskutiert, die dann die Tarifkommissionen und der Vorstand der IG Metall beschließen. Die Verhandlungen starten Mitte September. Die Friedenspflicht endet am 28. Oktober.

Ein Rückblick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass es in diesem Tarifbereich hohe Reallohnverluste gab. Nach der Erhöhung im April 2018 von 4,3 Prozent gab es die nächsten tabellenwirksamen Erhöhungen erst über fünf Jahre später im Juni 2023 (5,2 Prozent) und im Mai 2024 (3,3 Prozent). Der Inflation seit 2018 von 23,2 Prozent stehen tabellenwirksame Lohnerhöhungen von nur 12,8 Prozent gegenüber. Es bräuchte also eine kräftige Anhebung der Löhne, um überhaupt das Niveau von vor 2018 wieder erreichen zu können.

Viele Kolleginnen und Kollegen haben damit zu kämpfen, dass ihr Kaufkraftverlust sogar höher liegt als von der offiziellen Inflationsrate angegeben. Das ist dann der Fall, wenn ein großer Anteil des Einkommens für Miete, Lebensmittel und Energie ausgegeben werden muss. Hier liegen die Preissteigerungen zum Teil deutlich oberhalb der Inflationsrate. Dies ist bei der Forderungsfindung zu berücksichtigen, zumal das Ziel nicht sein kann, nur die Kaufkraft von 2018 wiederherzustellen. Zumindest sollten die Löhne entsprechend der gestiegenen Produktivität angepasst werden.

Werfen wir einen Blick auf die Forderungen der Jahre 2023 und 2024 in anderen Branchen, so bewegten sich die Forderungen in der Größenordnung zwischen 10 und 15 Prozent beziehungsweise zwischen 500 und 650 Euro (öffentlicher Dienst, Post, Bahn, Süßwarenindustrie, Bau). Auch in der Metall- und Elektroindustrie braucht es eine Forderung dieser Höhe. In vielen Branchen konnten Mindestbeträge oder auch eine überdurchschnittliche Anhebung der unteren Lohngruppen durchgesetzt werden, was auch die unteren Entgeltgruppen in der Metall- und Elektroindustrie bitter nötig hätten, wenn sie nicht in Armut abrutschen sollen.

Ein Blick in die aktivierende Befragung der IG Metall zeigt aber, dass diese der Situation nicht gerecht wird. Zur Auswahl stehen bis „4 Prozent“, „4 bis 6 Prozent“, „6 bis 8 Prozent“ und „mehr als 8 Prozent“. Was das für das Lohnniveau bedeutet, wurde ja bereits weiter oben festgestellt. Nach Mindestbeträgen oder Festgeld wird nicht gefragt – das ist wohl nicht erwünscht.

In der Metall- und Elektroindustrie steht zudem massiver Personalabbau bevor. Der Grund: Die sogenannte „Transformation“ und Digitalisierung. So sind zum Beispiel bei Mercedes in Untertürkheim bereits 3.500 bis 4.000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Auch bei Bosch Mobility Solutions strich der Konzern in den vergangenen vier Jahren 4.000 Stellen. Bosch hat angekündigt, in verschiedenen Sparten insgesamt 7.000 Stellen abzubauen. Allein bei ZF, Continental und Bosch geht es in den nächsten Jahren um 27.000 Stellen.

Die Alternative zu Entlassungen oder sogar Werksschließungen ist, dass die durch technische Entwicklung ermöglichte Reduzierung der zu leistenden Arbeit entsprechend auf alle Kolleginnen und Kollegen verteilt wird. Doch dieses Modell der Arbeitszeitverkürzung kommt in den Vorstellungen der Konzernchefs nicht vor. Das liegt daran, dass der technische Fortschritt dann zugunsten der Arbeitenden wirken würde und nicht zugunsten ihres Profits.

Arbeitszeitverkürzungen durchzusetzen ist dringlich, um der angekündigten Arbeitsplatzvernichtung etwas entgegenzusetzen. In diesem Jahr feiern wir das 40-jährige Jubiläum des Kampfes um die 35-Stunden-Woche. Damals ging es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der Gesellschaft. Es ging darum, die „Arbeit umzuverteilen“, denn in den Metallbranchen fand eine hohe Rationalisierung statt. Die Erfahrungen von 1984 lehren: Mit Arbeitszeitverkürzung kann Personalabbau verhindert werden.

Es wäre der falsche Weg, wenn den Kolleginnen und Kollegen nur die Möglichkeit gegeben wird, sich zwischen Freizeit oder Geld zu entscheiden oder ihnen mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit eingeräumt wird. Aber so wird die Frage der Arbeitszeitverkürzung in der Befragung der IG Metall behandelt. Eine Verkürzung der Arbeitszeit als mögliche Forderung kommt nicht vor. Das Thema auf „Arbeitszeitsouveränität“ zu fokussieren ist jedoch schädlich. Zum einen bedeutet eine individuelle Absenkung der Arbeitszeit, dass man sie aus seiner eigenen Tasche bezahlen muss. Zum anderen spalten individuelle Wahlmodelle zwischen Zeit und Geld die Belegschaften, denn die Ausgangsbedingungen sind für kommende Kämpfe ungleich.

Unser Ziel als Kommunisten ist nach wie vor eine kollektive Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Nur damit kann dem Arbeitsplatzabbau wirkungsvoll begegnet und eine echte Zukunftsperspektive für unserer Arbeitsplätze in Deutschland entwickelt werden.

Ein weiterer Aspekt der Tarifrunde ist die Ausbildungsvergütung. Die IG-Metall-Jugend setzt sich für eine überproportionale Erhöhung ein. Auszubildende sind besonders von den Preissteigerungen betroffen. Momentan sind die Ausbildungsvergütungen an die Entgelte gekoppelt und steigen proportional auf einem Niveau von 33 bis 35 Prozent eines Facharbeitergehalts. Das will die IG-Metall-Jugend ändern und fordert, die Prozente schrittweise zu erhöhen. Auch in der Befragung wird darauf Bezug genommen.

Kämpferische Aktionen und Streiks werden notwendig sein, damit ein guter Abschluss durchgesetzt werden kann und der Trend der Reallohnsenkungen umgekehrt wird. Selbst bei der IG BCE, die seit über 50 Jahren nicht mehr gestreikt hat, gibt es Druck von der Basis, den Kuschelkurs mit dem Kapital zu beenden. Diesen Druck braucht es auch in der IG Metall. Zu oft hat der Vorstand Tarifrunden zu früh abgepfiffen und damit das Ergebnis verschlechtert. In der letzten Tarifrunde war eine höhere Beteiligung der Beschäftigten deutlich erkennbar und es herrschte eine kämpferischere Stimmung. Diese Entwicklung gilt es zu fördern und zu stärken.

Eine weitere Lehre aus 1984 ist, dass dieser Kampf nicht von heute auf morgen geführt werden kann. Jedes bisschen Kampferfahrung, das wir mit den Kolleginnen und Kollegen sammeln können, müssen wir nutzen, um den nächsten Kampf für unsere Inte­ressen vorzubereiten.

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"Befragung gestartet", UZ vom 3. Mai 2024



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