Die Basis hat entschieden: „Eine Mehrheit der teilnehmenden Mitglieder hat sich beim Mitgliederentscheid für die Aufnahme eines ‚Bedingungslosen Grundeinkommens‘ (BGE) in die Programmatik der Partei entschieden. 56,64 Prozent der Mitglieder sprachen sich dafür aus, 38,43 Prozent dagegen. 18.667 Mitglieder gaben gültige Stimmen ab. Die Wahlbeteiligung mit gültigen Stimmen lag damit bei 33,22 Prozent“, so Bundesgeschäftsführer Tobias Bank nach Auszählung der Stimmen.
Damit gehört die Linkspartei zur zweiten etablierten politischen Kraft in Deutschland, die sich für eine monatliche Geldausschüttung – unabhängig für die Empfänger, also ohne Prüfung der realen Bedürftigkeit – durch den Staat stark macht. Seit vergangenem Jahr fordert dies auch die grüne Partei. Mit diesen Ideen der neoliberalen Gleichmacherei unter ungleichen Voraussetzungen überraschen die Grünen bei ihrem wirtschaftsliberalen Kurs niemanden mehr. Dass sich jedoch auch die Partei „Die Linke“ so positioniert, könnte verwundern.
Dazu sei gesagt, dass sich die Initiatoren des Mitgliederentscheids natürlich von neoliberalen BGE-Konzepten distanzieren. Das befreit jedoch nicht von der Verantwortung, dann eben auch ein Konzept zu erarbeiten, welches den eigenen sozialpolitischen Vorstellungen Rechnung trägt. Zum anderen ist der Entscheid nur dahingehend bindend, dass der Parteivorstand nun einen Antrag an den Parteitag stellen muss, wie die BGE-Position Teil der Programmatik werden soll.
Dabei argumentierten die Mitglieder des Parteivorstandes in den letzten Wochen zum großen Teil gegen die Träumereien bedingungsloser Gleichheit und erinnerten an ihre Forderung einer sanktionsfreien Mindestsicherung – immerhin eine Kernforderung der einstigen Anti-Hartz-IV-Partei. Auch der Bundesgeschäftsführer positionierte „Die Linke“ bei der Verkündung des Abstimmungsergebnisses weiterhin „gegen Sozialabbau und für einen Sozialstaat, der vor Armut schützt und Aufstiegsperspektiven schafft“.
Die Reformer-Strömung „Sozialistische Linke“ veröffentlichte zusammen mit den Bundesarbeitsgemeinschaften „Betrieb und Gewerkschaft“ und „Hartz IV“ eine eigene Broschüre, in welcher sie diese sozialstaatlichen Forderungen stark machen und für ein „Nein“ bei der Abstimmung zum BGE warben. Auch der Parteivorstand warb für die Ablehnung des Vorschlags und den Erhalt der geltenden Programmatik.
Die verschiedenen Kritiker der BGE-Forderung stören sich im Grunde alle am wirtschaftsliberalen Kern des Konzepts. Das Konzept des „Bedingungsloses Grundeinkommens“ (BGE) wird in der deutschsprachigen Debatte auf den Unternehmer Götz Werner, Gründer der Drogeriekette „dm“, zurückgeführt. Werners liberale Weltsicht hat schließlich Gefallen an einem schlanken Staat, der alle gleichbehandelt, unabhängig davon, ob sie zum Beispiel als Erben und Besitzende privilegiert sind.
Ähnlich dachte auch einer der bekanntesten Vertreter der neoliberalen Wirtschaftstheorie, Milton Friedman. Dieser wurde als Vertreter der Chicagoer Schule bekannt, unter anderem durch seine Wirtschafts-Vorlesung im chilenischen Fernsehprogramm während der Pinochet-Diktatur. In seinem biographischen Rückblick lobt er, dass die Junta in Chile Reformen im Rentenwesen, dem Gesundheitssektor und dem Steuersystem durchgeführt habe, welche die Staatsquote massiv reduziert haben.
Ein Steuerungsmittel zur Senkung der Staatsquote entwickelte Friedman in seiner bekanntesten Schrift „Kapitalismus und Freiheit“. Mithilfe einer negativen Einkommensteuer soll allen Personen, die unter einer zu besteuernden Einkommensgrenze liegen, die Differenz zu dieser Grenze bedingungslos ausgezahlt werden. Finanziert werden soll das über die Streichung aller anderen staatlichen Förderungen und Unterstützungsleistungen: „Die meisten gegenwärtigen Wohlfahrtsprogramme hätten nie eingeführt werden dürfen.“ (in: „Chancen, die ich meine“, S. 135)
Dass vom bürgerlichen Mainstream gefeierte Talk-Show-Philosophen wie Richard David Precht auf solche Konzepte anspringen, mag nicht verwundern. Dass die liberale Grüne-Partei, die sich für einen sozial-ökologischen Umbau stark macht, der eine Transformationsphase des Betriebssystems des deutschen Großkapitals bedeutet und damit verbunden auch den Abbau von Arbeitsplätzen im klassischen Industriebereich, ist auch nicht weiter verwunderlich. Dass sich aber die Partei „Die Linke“ vom Einmaleins der Arbeitswertlehre verabschiedet, irritiert schon.
Seit der Fusion der SPD-Abspaltung WASG im Westen und der PDS im Osten stritten sich Linke verschiedener Strömungen darum, wie sie zu Marxismus und Regierungsbeteiligungen stehen. Heute hat sich die Mitgliedschaft stark verändert. Da blicken ehemalige Fundis und Reformer als gewerkschaftsorientierte Minderheit einer linksliberalen Mitgliedschaft entgegen, deren Emanzipationsbegriff aufs Politische beschränkt bleibt und die sich von den Erkenntnissen des wissenschaftlichen Sozialismus verabschiedet hat.
Dem Austrittsreigen folgte nun Ralf Krämer, ver.di-Gewerkschaftssekretär und bisheriger Sprecher der parteiinternen Strömung „Sozialistische Linke“. Meinungsmacher bürgerlicher Leitmedien und das bundespolitische Berlin drehen weiter am Rad. Springers „Bild“-Zeitung: „Explosive Stimmung bei der Linkspartei, es droht die Spaltung!“ (7. Oktober). Und „taz“ und „jungle.world“ spekulieren schon über ein „linksnationalistisches Wahlbündnis“ zur nächsten EU-Parlamentswahl aus Wagenknecht-Flügel und DKP.