Die Planungen für einen deutschen „Weltraumbahnhof“ nehmen Gestalt an. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte ihn im Herbst 2019 auf seinem ersten eigenen Weltraumkongress gefordert und das mit der zentralen Bedeutung der Raumfahrt begründet. Der Weltraum ist auch für die deutsche Industrie ein Zukunftsmarkt.
Auf Initiative des BDI wurde nun Mitte Dezember das Unternehmenskonsortium „German Offshore Spaceport Alliance“ (Gosa) gegründet, an dem der Bremer Raumfahrtkonzern OHB, die Reederei Haaren & Partner sowie die Media Mobil GmbH und die Tractebel DOC Offshore GmbH beteiligt sind. Man möchte spätestens 2023 von Deutschland aus Raketenstarts in den Weltraum ermöglichen. Dabei wird es wahrscheinlich darum gehen, von einer schwimmenden Plattform, einem Schiff, mit Hilfe von kleinen Raketen, sogenannten Microlaunchern mit einer Nutzlast von bis zu 1.000 Kilogramm, kleinste Satelliten zielgenau ins All zu bringen. Solche Kleinstsatelliten werden bereits heute unter anderem für die Erderkundung und -beobachtung, für die Umwelt- und Klimaforschung sowie für Kommunikationsnetze genutzt. Derzeit entwickeln drei deutsche Unternehmen Microlauncher: Rocket Factory Augsburg (Bayern), ISAR Aerospace (Ottobrunn, Bayern) und HyImpulse (Neuenstadt am Kocher, Baden-Württemberg).
Laut BDI könnte ein kleiner „Weltraumbahnhof“ in der nördlichen Nordsee, in eigenen Hoheitsgewässern, die deutsche Wirtschaft von den großen Weltraumbahnhöfen in Übersee, Indien und Russland unabhängig machen und deutsche Satelliten schneller und kostengünstiger ins All bringen. Das Projekt sei der Einstieg in einen sich rasant entwickelnden Markt. Laut „Süddeutscher Zeitung“ erhofft sich Matthias Wachter, Abteilungsleiter „Sicherheit und Rohstoffe“ im BDI, durch die Realisierung des Projekts eine Aufwertung des Raumfahrtstandortes Deutschland und die Förderung von Innovationen. Für die Startphase forderte er Mitte Dezember die finanzielle Unterstützung des Bundes, ähnlich wie bei Offshore-Windprojekten: „Wir gehen in der Initialphase von 30 Millionen Euro Gesamtkosten aus. Darin enthalten sind Bürgschaften von 10,5 Millionen Euro.“ Außerdem wäre es wünschenswert, wenn der Bund nach US-amerikanischem Modell für 5 Millionen Euro Starts kauft, um das Projekt zu unterstützen. Doch die Politik entscheide, „ob ein Startplatz in der Nordsee kommt und ob sich dieser wirtschaftlich trägt“.
Während sich das Wirtschafts- und Verkehrsministerium bislang durchaus offen zeigen und bereits Informations- und Koordinierungsgespräche zum Beispiel mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) stattfanden, gibt es laut Presseberichten aus dem Umweltministerium kritische Stimmen. Ungeklärt sind nämlich die Auswirkungen auf Umwelt und Gewässer. Unterstützung für das Projekt kommt von der CSU, deren Landesgruppe sich auf ihrer Klausurtagung in der vergangenen Woche mit dem Thema befasste. In einem Papier dazu heißt es unter anderem: „Wir wollen zusammen mit der Wirtschaft eine mobile Startplattform in der Nordsee errichten und betreiben.“ Bis 2028 würden „bis zu 8.500 Kleinsatelliten ins All starten, die alle einen Träger und einen Startplatz brauchen. Wir wollen diesen Markt für unser Land erschließen und Deutschland zum europäischen Startplatz für Microsatellites und -launcher machen.“