Deutsche Bauernverbände fordern mehr Geld von der EU-Kommission für Not leidende Landwirte. Bauernpräsident Joachim Rukwied hat verlangt, die zugesagte Unterstützung der Europäischen Union in Höhe von 500 Millionen Euro deutlich aufzustocken. Die versprochene Summe sei zwar „ein Schritt in die richtige Richtung“, aber den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Landwirtschaft werde das nicht gerecht. Am Ende müsse eine Summe stehen, „die deutlich über einer Milliarde liegt“.
Hintergrund der Diskussion ist die aktuelle Milchkrise. Nachdem der Absatz im Ausland eingebrochen ist, fiel der Milchpreis rapide. Die EU will nun 500 Millionen Euro ausgeben, um den Bauern unter die Arme zu greifen. Doch nach welchen Kriterien das geschehen soll, wollten die EU-Landwirtschaftsminister Anfang der Woche beraten.
Rukwied forderte als Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), dass für die angekündigten Hilfen die 900 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, die vorher über Strafgelder eingenommen wurden. Bauern, die zur Zeit der Milchquote mehr produzierten als zulässig war, mussten diese Strafen an Brüssel zahlen. Rukwied zeigte sich auch offen für die Forderung aus Frankreich, den sogenannten Interventionspreis weiter anzuheben. Zu diesem Preis kauft die EU den Bauern ihre Erzeugnisse ab, wenn sie auf dem Markt nicht zu höheren Preisen verkauft werden können.
Bis Redaktionsschluss war noch nicht bekannt, wie die Gelder aus dem angekündigten EU-Programm verwendet werden sollen. Im Gespräch waren aber Maßnahmen, um den Markt zu stabilisieren, zinsgünstige Darlehen, oder Maßnahmen, um den Preisverfall für die Produkte der Bauern auszugleichen. Offen war zudem noch, wie das Geld auf die einzelnen Staaten und in den Regionen verteilt werden soll.
Es deutet aber manches darauf hin, dass das Aus für viele kleinere Milchbauern einkalkuliert ist. So hieß es aus EU-Kreisen, es wäre nicht effektiv, Geld an jeden einzelnen Landwirt auszuzahlen. Man wolle sich dagegen lieber auf die Bauern konzentrieren, die derzeit zwar in akuter Not sind, deren Höfe auch langfristig eine Zukunft hätten.
Derzeit gibt es in Deutschland rund 80 000 Milchbauern, und viele von ihnen stecken in einer finanziellen Krise; vielen droht wohl das Aus. Der Grund dafür ist der Verfall des Milchpreises. Dieser fiel von 40 Cent, die man noch vor eineinhalb Jahren pro Liter bekommen konnte, auf derzeit 28 Cent. Ein bayerischer Milchbauer schimpfte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass es nun schon die dritte Krise in sechs Jahren sei. „Jedes Mal läuft der Markt über, weil die Produktion über der Nachfrage liegt“, sagte er.
Tatsächlich ist die Nachfrage nach Milch aus der Europäischen Union gesunken und die Produktion gestiegen. EU-Agrarkommissar Phil Hogan bezifferte das Überangebot an Milch unlängst mit zwei Prozent. Dazu beigetragen hat die Ausweitung der Produktion in wichtigen Erzeugerländern: In der EU stieg sie 2014 um 4,5 Prozent, und auch die USA, Neuseeland und Australien legten zu. Als Russland auf die Sanktionen der EU mit Gegensanktion für europäische Landwirtschaftsprodukte reagierte, brach ein wichtiger Absatzmarkt ein. Hinzu kommt, dass auch der Absatz in China zurück ging und die internationale Konkurrenz zugenommen hat. Australien und Neuseeland sind nun auch dazu übergegangen, große Milchmengen auf den internationalen Markt zu bringen.
Vor diesem Hintergrund ist die weitergehende Forderung des DBV nach einer europäischen Exportoffensive fragwürdig, die aber sofort von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) übernommen wurde. Dieser sagte, man müsse einerseits „kurzfristig flüssiges Geld zur Verfügung stellen, wo Not am Mann oder Not an der Frau ist“. Darüber hinaus solle die EU-Kommission eine Exportoffensive starten und als dritten Punkt solle der „Markt auf richtige Füße“ gestellt werden. Einen Weg könnte es in einer stärkeren Förderung für die Einlagerung von Milchprodukten – etwa durch Molkereien – geben.
Eine Begrenzung der Produktion über die Wiedereinführung der Milchquote lehnte Schmidt dagegen ab. Die Quote alter Fassung hätte „uns 2008 und 2009 nicht geholfen“, weshalb man seiner Meinung nach nicht über eine Wiedereinführung der Milchquote nachdenken sollte. Stattdessen sollte man „über eine Stärkung und Verbesserung der Produktionsmöglichkeiten und der Absatzmöglichkeiten“ reden.
Ob das allerdings helfen wird, die Überkapazitäten abzubauen, ohne dass zahlreiche Milchbauern aufgeben müssen, ist mehr als fraglich. Hatte doch die Abschaffung der Milchquote im April dazu geführt, dass viele Bauern ihre Kapazitäten erst deutlich erweitert haben – und sich ganz nebenbei hoch verschuldeten.