Das Referendum über die Gründung eines unabhängigen Staates in den kurdischen Autonomiegebieten des Irak stieß von Anfang an auf Widerstand bei den regionalen Mächten. Irakische Regierung, Türkei und Iran waren sich in der Ablehnung des Referendums einig.
Dennoch kam der Vormarsch der irakischen Armee, der die ölreiche Provinz Kirkuk wieder unter die Kontrolle der Zentralregierung brachte, überraschend. Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Truppen der irakischen Zentralregierung und den Peschmerga in Kirkuk waren „reine Missverständnisse aufgrund von schlechten Sichtverhältnissen“, erklärte das Oberkommando der Anti-IS-Koalition zum Angriff der Regierungstruppen auf Kirkuk.
Das war aber bestenfalls die halbe Wahrheit: Vor den Angriffen war es der irakischen Regierung gelungen, die Widersprüche zwischen der oppositionellen Patriotischen Union Kurdistans PUK und der Demokratischen Partei Kurdistans KDP aufzubrechen.
Truppen der PUK zogen sich vor den irakischen Truppen bereitwillig zurück – nach geheimen Verhandlungen und vermutlich nicht ohne Gegenleistung. Die Truppen der KDP konnten danach keinen entscheidenden Widerstand leisten, obwohl es vereinzelt zu Scharmützeln mit bis zu 30 Toten kam.
Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi konnte in der „New York Times“ erklären: „Nach Jahren illegaler Ölverkäufe ist die Regionalregierung bankrott … ein Ergebnis der Korruption einiger kurdischer Führer und ihrer Familien.“
Man mag ihm da nicht widersprechen. Aber Korruption und Vetternwirtschaft sind bekanntlich auch der irakischen Regierung nicht fremd. Und wie Barzani mit dem Referendum kann auch der irakische Ministerpräsident mit der Besetzung Kirkuks durch die Armee von inneren Problemen des Landes ablenken.
Der Streit um das ölreiche Kirkuk, dessen Bevölkerung aus Kurden, Arabern und Turkmenen besteht, währt schon lange. Offiziell gehört es nicht zum kurdischen Autonomiegebiet. Für viele Kurden ist es jedoch „eigentlich“ ein grundlegender Teil eines kurdischen Staates, weil die jetzige Bevölkerungsstruktur erst als Ergebnis der Arabisierung während der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts entstand.
Jetzt ist dieser Streit zunächst einmal entschieden und Kirkuk und seine Ölquellen sind fest in der Hand der irakischen Regierung. Das und die offensichtlich unterschiedlichen Interessen der kurdischen politischen Kräfte haben die Verhandlungsposition von Barzani geschwächt.
Die US-Regierung will in diesem Streit keine Partei ergreifen, die neoliberale Politik scheint gespalten. Die „New York Times“ räumt dem irakischen Ministerpräsidenten breiten Raum ein, seine Politik zu erklären. Vertreter der Republikaner und Demokraten im Senat dagegen verurteilen den Angriff „mit US-Waffen“, der nur die Position des Iran stärke.
90 Prozent der Wähler stimmten im Referendum für die Unabhängigkeit der kurdischen Autonomieregion. Doch im gesamten Irak, von Erbil im Norden über Bagdad bis Basra im Süden, herrschen Probleme, die mit der Abspaltung eines Teils des Landes nicht gelöst werden: Korruption, Vetternwirtschaft und die Folgen von Krieg und Gewalt.