Es ist eine Niederlage, die Venezuelas Regierungslager vor allem aufgrund seiner Symbolik schmerzt: Zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahrzehnten wird der Bundesstaat Barinas, die Heimat des früheren Präsidenten Hugo Chávez, künftig von einem Vertreter der rechten Opposition regiert werden. Bei der Wiederholung der Regionalwahlen am vergangenen Sonntag konnte sich Sergio Garrido, ein rechter Sozialdemokrat, mit 55,36 Prozent der Stimmen gegen den Sozialisten und früheren Außenminister Jorge Arreaza durchsetzen, der 41,27 Prozent erreichte.
Die Wiederholung der Wahl war vom Obersten Gerichtshof angeordnet worden, nachdem die Abstimmung am 21. November äußerst knapp ausgegangen war. Offenbar lagen damals nur wenige hundert Stimmen zwischen dem Oppositionskandidaten Freddy Superlano und dem bisherigen Gouverneur Argenis Chávez. Allerdings fehlten bis zuletzt die Stimmzettel aus einigen Wahllokalen, so dass die Wahlbehörde kein endgültiges Resultat verkünden konnte.
Nach seinem schwachen Ergebnis verzichtete Argenis Chávez auf eine erneute Kandidatur bei der Wiederholung. Doch auch Superlano durfte nicht noch einmal kandidieren – der Wahlbehörde fiel plötzlich auf, dass er in Putschversuche und gewaltsame Proteste verwickelt war. Das war schon vor der ersten Wahl bekannt gewesen, hatte die Offiziellen damals aber nicht interessiert. Auch dem Bewerber der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV), Aldemaro Sanojas, der im November ebenfalls kandidiert hatte, wurde das Antreten ohne nachvollziehbare Begründung verweigert.
Offenbar sind die Manöver dem Regierungslager auf die Füße gefallen. Die PCV kommentierte den Wahlausgang entsprechend: „Geschichte ist hinterhältig. Sie haben uns das Recht auf politische Beteiligung genommen, damit sie selbst für ihre Niederlage verantwortlich sind.“ Der von der Teilnahme ausgeschlossene Kandidat Sanojas wies außerdem Berichte zurück, dass seine Partei zum Wahlboykott aufgerufen habe. Er selbst und die Mitglieder der Parteiführung hätten angesichts der Umstände zwar entschieden, nicht an der Wahl teilzunehmen, aber den Genossinnen und Genossen habe man empfohlen, für den Kandidaten zu stimmen, dessen Wahl man für sinnvoll halte.
In Barinas hatte seit 1998 immer ein Mitglied der Familie Chávez regiert, zunächst bis 2008 der Vater von Hugo Chávez, Hugo de los Reyes. Ihm folgte der ältere Bruder des damaligen Präsidenten nach, Adán Chávez, der heute Botschafter seines Landes in Kuba ist. Ihm folgte sein Bruder Argenis Chávez. Auch Jorge Arreaza gehört – zumindest indirekt – zur Familie, er war bis 2017 mit Chávez’ Tochter Rosa Virginia verheiratet. Doch die Erinnerung an Hugo Chávez, den Comandante der Bolivarischen Revolution, alleine reicht auch in Barinas offenkundig nicht mehr aus, um Wahlen zu gewinnen.
Venezuela leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise, die durch Korruption, Inkompetenz und vor allem durch die Blockade- und Sanktionspolitik der USA und der EU verschärft wird. Die Regierung von Präsident Nicolás Maduro versucht, die Lage durch Kompromisse mit der rechten Opposition und Zugeständnisse an die Großkonzerne in den Griff zu bekommen, unter anderem durch eine schleichende Reprivatisierung der unter Hugo Chávez verstaatlichten Unternehmen. Die Kommunistische Partei und andere Linke, die sich zur Revolutionären Volksallianz (APR) zusammengeschlossen haben, kritisieren das als neoliberalen Verrat an den Errungenschaften des revolutionären Prozesses.