Bei der „Sicherheitskonferenz“ standen die Zeichen auf Krieg

Barbarisierung

Die alljährlich im „Bayerischen Hof“ stattfindende „Münchener Sicherkeitskonferenz“ (Siko) feiert sich selbst gern mit Superlativen. Das weltweit „größte Event für außenpolitische und militärische Fragen“ führte vom 14. bis 16. Februar nicht nur 150 Regierungschefs und Minister zusammen, sondern diente zudem auch etwa 500 handverlesenen „Entscheidungsträgern“ aus Militär, Wirtschaft und Politik als Forum der Selbstvergewisserung und Geschäftsanbahnung. So versprachen sich die Vertreter namhafter Rüstungsschmieden wie Raytheon, Kraus-Maffei Wegmann, Airbus, Lockheed Martin und Rheinmetall auch dieses Jahr eine Vielzahl neuer Abschlüsse. Zugleich fungieren sie als Sponsoren der Veranstaltung. Der größte Sponsor ist allerdings der deutsche Steuerzahler, der für Kost, Luxuslogis und Veranstaltung insgesamt 2,6 Millionen Euro berappen musste.

Der frühere Botschafter und Honorarprofessor im Fach „Krisendiplomatie“ Wolfgang Ischinger – Leiter und Ideengeber der SiKo seit 2008 –zeichnete in seiner Eröffnungsrede ein düsteres Bild vom Zustand der westlichen Welt: wirtschaftliche und politische Krisen allerorten, flankiert durch zunehmendes Misstrauen der Bevölkerung in die NATO. Deutschland gerate zunehmend ins imperiale Hintertreffen. Wehmütig erinnerte er an die Worte von Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, der auf der Siko 2014 mehr deutsche Verantwortung in der Welt einforderte. Viel habe sich seither nicht getan. Politischer Einfluss Deutschlands und seine militärische Macht klafften zu weit auseinander. „Ich glaube, die Nachbarn würden sich alle freuen, wenn Deutschland zumindest so viele Flugzeuge gegen den Islamischen Staat eingesetzt hätte wie Dänemark. Wir haben nämlich kein einziges eingesetzt, das schießt, sondern nur Fotos gemacht.“

Während sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Tagungsbeitrag noch unentschieden über Deutschlands aktuelle Rolle in der NATO zeigte, setzten Außenminister Heiko Maas und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer klare Akzente. An der transatlantischen Zusammenarbeit müsse man festhalten – Maas: Die NATO „war immer unsere Lebensversicherung“ –, aber gleichzeitig danach streben, sich vom Einfluss der USA in Europa freizuschwimmen.
Die Steilvorlage hierzu lieferte der französische Staatschef Emmanuel Macron, der das „Europa der Verteidigung“ pries, für das die „Stunde der Wahrheit“ gekommen sei. Deutschland müsse sein Zaudern ablegen und mit Frankreich eine eigene Nuklearstrategie entwickeln. Maas zeigte sich offen. Kramp-Karrenbauer stand nicht zurück: Deutschland und Europa müssten ihre Interessen durchsetzen. Wie von AKK nicht anders zu erwarten, folgten konkrete Vorschläge: Mehr Engagement – „auch militärisch“ – in der Sahelzone und in Syrien.

Die Vertreter der US-Regierung, Außenminister Mike Pompeo und Verteidigungsminister Mark Esper steuerten gegen europäischer Eigenwege: „Eine strahlende Zukunft“ sei allein an der Seite der USA denkbar. Eine entschiedene Antwort auf China und Russland, die sich wirtschaftlich, militärisch und strategisch auf dem Vormarsch befänden, sei überfällig. „In der Geschichte haben nie die Sanften und Schwachen gewonnen“, so Pompeo.

Esper malte das Schreckgespenst chinesischer Expansion an die Wand: Chinas Kommunistische Partei setze ihre Macht mit „allen Mitteln“ durch, was das Beispiel Huawei zeige. Nur durch „Ausbeutung und Diebstahl“ sei China stark geworden und bedrohe nun die westliche Ordnung.

Einzig die Außenminister Russlands und Chinas, Sergej Lawrow und Wang Yi, setzten einen Kontrapunkt zu den kriegslüsternen Tiraden. Lawrow, dessen Redezeit nach den langatmigen Ausführungen seiner Vorrednerin Kramp-Karrenbauer auf wenige Minuten beschränkt war, stellte nüchtern fest, dass man in München Zeuge der „Barbarisierung internationaler Beziehungen“ werde. Militärübungen an Russlands Westgrenze und das „unermessliche Aufpumpen des Militäretats“ sorgten für die Unberechenbarkeit der internationalen Lage. Der „kalte Krieg“ sei zurückgekehrt.

Wang Yi wies die „Schmieren- und Lügenkampagne“ der US-Vertreter entschieden zurück. China verfolge strikt die Politik der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder und betone die Kooperation mit Europa wie auch mit Russland.

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"Barbarisierung", UZ vom 21. Februar 2020



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