Schäuble und Merkel behaupten wider besseren Wissens, dass Steuergeld zur Rettung nicht in Frage kommt

Bankenkrise im Eurogebiet

Von Lucas Zeise

Woran merkt der gemeine Bürger, dass es den Banken nicht gut geht? Er hört und liest davon, dass sich die Kurse der Bankaktien halbiert, gedrittelt oder auf ein Zehntel reduziert haben. So geschehen beispielsweise bei der Deutschen Bank. Deren Kurs erreichte 2007, dem Jahr als die große Finanzkrise ausbrach, fast 100 Euro. Mittlerweile sind die Aktien an der Börse pro Stück nur 12 Euro wert. Das sicherste Zeichen aber dafür, dass die Bankenkrise akut ist, lieferte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank David Folkerts-Landau, als er in einem Interview zu Anfang des Monats ein Rettungsprogramm für die europäischen Banken in Höhe von 150 Mrd. Euro forderte. Warum so wenig? Allein für deutsche Banken hatte die Bundesregierung 2008, im Jahr des großen Bankenkrachs satte 480 Mrd. Euro bereitgestellt.

Das klassische Zeichen für eine Bankenkrise fehlt allerdings (noch): Es sind die Schlangen vor den Bankfilialen (einst) oder den Bargeldautomaten (heute). Zuletzt wurden solche Schlangen in Griechenland und Zypern gesichtet. Eine Bankenkrise besteht ja gerade darin, dass das Publikum befürchtet, dass die Bank nicht mehr genug Geld auftreiben kann, um die Guthaben auszuzahlen. Alle wollen im so genannten „Bank Run“, dem Ansturm der Einleger auf die Kassen der Bank an ihr Geld, bevor die Schalter geschlossen werden. So weit ist es offensichtlich noch nicht. Folkerts-Landau und die schlechte Presse reichen noch nicht, um die Anleger in Panikstimmung zu versetzen. In Italien überlegt Regierungschef Matteo Renzi öffentlich, wie er seinen notleidenden Banken mit Staatsmitteln helfen kann.

Die Bankenunion von 2012

Wahrscheinlich ist es das, was beruhigt. Die Erfahrung, dass in den Ländern Euro-Europas keine Bank umkippt, es sei denn die große Politik lässt es zu, ist mehrfach gemacht worden. Zum ersten im Oktober 2008, als jede Regierung die jeweils heimischen Banken vor dem Untergang rettete, bevor die Sparer auch nur auf die Idee kamen, ihr Geld abzuziehen. Die zweite Erfahrung war der Beschluss der EU-Gipfelkonferenz vom 29. Juni 2012, eine „Bankenunion“ zu schaffen. Der Beschluss ergänzte die nationale Bankengarantie von 2008 um eine euroweite Garantie. Konkret ging es damals darum, dem Königreich Spanien unter dem gerade etablierten Rettungsprogramm ESM einen zweckgebundenen Kredit einzuräumen, der zur Rettung der ‚Bankia‘, einer von prominenten Mitgliedern der Regierungspartei „Partido Popular“ heruntergewirtschafteten Bank, verwendet werden sollte. Spanien selbst konnte den Kredit in dieser Höhe damals nicht selbst auftreiben. Die „Bankenunion“, die damals geschaffen wurde, ist Ausdruck der Solidarität unter den Regierenden im Interesse des Finanzkapitals.

Dennoch reden so Vertrauen erweckende Personen wie Kanzlerin Angela Merkel, sowie ihr Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble in immer neuen Variationen davon, dass eine erneute Bankenrettung aus Steuergeld nicht in Frage komme. Wenn sie sich da nicht täuschen! Oder eher das Publikum täuschen. Immerhin hat Wolfgang Schäuble mit dem deutschen „Restrukturierungsgesetz“ 2011 den Boden dazu bereitet, dass Bankenrettung nun – anders als zuvor – Staatsangelegenheit ist. Verkauft wurde das Gesetz auf Schäuble-Art. Hier werde gesichert, behauptete der Finanzminister, dass die Eigentümer und Gläubiger haften, nicht aber der Staat einspringt. Nur geht es bei der Eigenhaftung um den kleinsten Teil der Bankbilanz, denjenigen Teil, – im Regelfall 8 Prozent der Bilanz – der Eigenkapital ist oder dem Eigenkapital ähnlich ist. Die restlichen 92 Prozent, die sich die Bank im Regelfall von anderen Banken geliehen hat, bleiben von so ärgerlichen Haftungsregeln verschont. Um die ganz breite Bankenkrise zu vermeiden, ist es ohnehin unausweichlich, dass der Staat die Garantie für diese 92 Prozent der Verbindlichkeiten übernimmt. Darüber wird allerdings nicht gesprochen – solange es geht.

Resultat verrückter Politik

Und das schließt auch nicht aus, dass man sich im Rahmen der Bankenunion im Eurogebiet um die interessanteren 8 Prozent streitet. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi will die Sanierung einiger italienischer Banken – insbesondere der ältesten noch funktionierenden Bank der Welt, der Monte dei Paschi di Siena – mit Staatsmitteln durchziehen und dabei vermeiden, dass die Inhaber der nachrangigen und deshalb relativ hoch verzinsten Anleihen der Bank Einbußen erleiden. Ob er das darf oder nicht, darum wird in Brüssel und Berlin gerungen. Ein Programm zur Ankurbelung der italienischen Wirtschaft, deren Misere die Hauptursache für die besondere Schwäche gerade der italienischen Banken ist, ist nach dem Willen der Berliner Politik ohnehin nicht erlaubt. Das Resultat dieser verrückten Politik sieht so aus: Die Banken fallen nicht, weil sie staatlich gestützt sind, aber sie gedeihen auch nicht, weil die Realwirtschaft kümmerlich bleibt.

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"Bankenkrise im Eurogebiet", UZ vom 22. Juli 2016



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