Die italienische Resistenza 1943 – 1945

Banditen und Rebellen

Nach zwanzig Jahren faschistischer Diktatur in Italien und dem Kriegseintritt an der Seite Nazideutschlands finden viele Frauen und Männer den Mut und die Kraft zum Widerstand. Von den Faschisten als „banditi“ und „ribelli“ verunglimpft, kämpfen Zehntausende Partisaninnen und Partisanen gegen die deutschen Besatzungstruppen und ihre faschistischen italienischen Verbündeten. Es ist ein aufopferungsvoller und verlustreicher Kampf mit der Hoffnung auf eine grundlegend veränderte Gesellschaft.

Im Frühjahr 1945 geht der Kampf in seine letzte und entscheidende Phase.


Befreiung im Frühjahr

Nach der Winterkrise nimmt die bewaffnete Resistenza den Kampf wieder auf. Dabei kann sie sich auf massive Hilfe verlassen: in nur drei Monaten liefern alliierte Fallschirmabwürfe mehr leichte Waffen, Sprengstoff, Militärkleidung und Geld als in den gesamten 15 Monaten davor.

Das Guerillahandwerk erlernt man nicht in wenigen Wochen, aber tagtäglich wachsen Ausstattungsgrad, Mitgliederzahl und Erfahrung der Einheiten. Bis April erlangen die Formationen die Stärke vom vorherigen Sommer zurück, sind aber viel besser gerüstet. Das seit jeher erstrebte Ziel ist ein allgemeiner Aufstand, zu oft schon für greifbar gehalten und dann doch wieder in die Ferne gerückt.

Nun steht er endlich auf der Tagesordnung, der Krieg neigt sich wirklich dem Ende zu. Die Deutschen wissen das. Heimlich führen sie Kapitulationsverhandlungen, ohne ihre verachteten faschistischen Komplizen einzubeziehen. Die zusammengewürfelten, durch opportunistische Desertionen dezimierten Truppen der RSI (Mussolinis Italienische Sozialrepublik Repubblica Sociale Italiana, Anm. der Red.) wissen ebenfalls, dass die Niederlage unausweichlich ist. Der Einzug der Widerstandsgruppen aus den Bergen in die Po-Ebene und die Befreiung der großen Städte Norditaliens noch vor Eintreffen der Alliierten sind ein Riesenerfolg. Vergeblich versuchen die moderaten Parteien innerhalb der Resistenza das zu behindern. Der Wunsch vieler Partisaninnen und Partisanen nach radikalen Veränderungen und neuen gesellschaftlichen Verhältnissen lässt sich jedoch nur teilweise umsetzen. Aus dem Befreiungskrieg wird ein neuer Staat hervorgehen, der nicht annähernd so neu gestaltet wird, wie man es sich in den Bergen erträumt hatte. Dennoch sind einige für die Geschichte Italiens entscheidende Veränderungen errungen worden, allen voran die republikanische Staatsform und ihre Verfassung.

Aufstand

Seit Anfang April verläuft der alliierte Vormarsch viel schneller als erwartet. Die Streitkräfte der RSI und der deutschen Besatzer werden überrannt, Flucht und Desertion vermengen sich mit Vergeltungen und Zerstörungen. Starken Partisanenformationen gelingt es, den Alliierten bei der Befreiung der großen Städte zuvorzukommen. Sie haben zwei Ziele: die politisch-militärische Stärke der Resistenza zu demonstrieren und rigoros gegen alle vorzugehen, die freiwillig in den bewaffneten Einheiten oder in der Verwaltung der RSI die deutsche Besatzungsmacht unterstützt hatten.

Modena, Reggio Emilia, Mailand, Turin und Genua werden zwischen dem 22. und 30. April 1945 befreit. Das CLNAI (Comitato di liberazione nazionale per l’Alta Italia – Komitee zur nationalen Befreiung Oberitaliens) übernimmt sämtliche Verwaltungs- und Regierungsbefugnisse. Bis zum Eintreffen der Alliierten sind die siegreichen Partisaninnen und Partisanen für wenige außergewöhnliche Tage die uneingeschränkten Hauptdarsteller.

Säuberung

Nach zwei Jahren blutigen Bürgerkriegs ist die Hoffnung auf Gerechtigkeit eng verwoben mit einem nachvollziehbaren Wunsch nach Rache. Im Chaos der Aufstandstage und in den folgenden Wochen werden vielerorts Faschisten getötet, glaubwürdigen Schätzungen zufolge insgesamt 10.000 bis 12.000 Menschen. Erst ab Ende Mai nehmen Sondergerichte ihre Arbeit auf, um die Rechtmäßigkeit der Säuberungen zu gewährleisten. Sie führen tausende Prozesse und fällen rund 500 Todesurteile, von denen jedoch nur 90 vollstreckt werden.

Die Togliatti-Amnestie im Juni 1946 und ein in seinem Innersten weiterhin faschistisches Gerichtswesen lassen zu, dass selbst Folterer in Freiheit gelangen.


Text und Bilder stammen aus dem Katalog der Wanderausstellung Banditi e ribelli. Die italienische Resistenza 1943 – 1945 des Istoreco (Institut für die Geschichte der Resistenza und für Zeitgeschichte in der Provinz Reggio Emilia) und CultureLabs.
Informationen und Verleih: info@banditi.org

Istoreco (Hg.)
Banditi e ribelli
Die italienische Resistenza 1943–1945
Papyrossa 2019, Farbiger Katalog, Großformat
72 Seiten, 15 Euro

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Banditen und Rebellen", UZ vom 24. April 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Tasse.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit