Spediteur geht mit absurden Vorwürfen gegen streikende Lkw-Fahrer vor

Banditen rufen Staatsanwalt

Seit vier Wochen streiken Fahrer dreier polnischer Speditionen auf der Raststätte Gräfenhausen an der A5. 150 Lkw-Fahrer beteiligen sich mittlerweile an dem Streik. Sie haben teils seit über fünf Monaten keinen Lohn mehr erhalten.

Der Eigentümer der drei Speditionen Imperia, Lukmaz und Agmaz, Lukasz Mazur, hat zwischenzeitlich Strafanzeige gegen die Streikenden erstattet, unter anderem wegen „räuberischer Erpressung“. Die Lkw-Fahrer seien keine „Arbeitnehmer“, sondern „Auftragnehmer“. Die Streikenden erpressten „Lösegeld“ für die Lkws der Speditionen, behauptete eine Vertreterin der Unternehmen. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelt. Am Mittwoch stellte die Polizei die Personalien der streikenden Fahrer fest und belehrte sie über ihre Rechte. In den nächsten Tagen sollen die Fahrer angehört werden. Danach prüft die Staatsanwaltschaft, ob und welche Straftatbestände erfüllt sein könnten.

Das juristische Vorgehen gegen die Streikenden sei der Versuch, Opfer zu Tätern zu machen, sagte Michael Rudolph. Der Vorsitzende des DGB Hessen Thüringen empfindet das als „bodenlose Frechheit“. Der Spediteur solle den Fahrern endlich die Löhne auszahlen, die ihnen zustünden. Stattdessen versuche er, „die Fahrer in Gräfenhausen zu kriminalisieren, ihnen die Lkw und damit ihre Unterkunftsmöglichkeiten wegzunehmen und sie loszuwerden.“

Am vergangenen Wochenende wählten die Streikenden einstimmig Edwin Atema von der niederländischen Stiftung Road Transport Due Dilligence (RTDD) zu ihrem Sprecher. Atema hatte diese Funktion schon beim ersten Streik von Lkw-Fahrern auf der Raststätte Gräfenhausen im Frühjahr dieses Jahres erfolgreich ausgeübt. „Da die Fahrer die genauen Vorwürfe nicht kennen und sie es mit einem Unternehmen zu tun haben das selbst wie Banditen mit fragwürdigen Methoden agiert, haben wir den Fahrern zum jetzigen Zeitpunkt geraten, Aussagen gegenüber der Polizei nur dann zu machen, wenn sie einen Rechtsanwalt konsultiert und beauftragt haben“, wird der Gewerkschafter in einer Pressemitteilung des DGB vom 16. August zitiert. Als Beschuldigter in einem Strafverfahren müsse allerdings jeder der Fahrer von einem eigenen Anwalt vertreten werden. „Dafür könnten zwei Busladungen voller Anwälte nötig sein, um die Fahrer gegen die versuchte Kriminalisierung zu unterstützen.“ Dieser Prozess könne Wochen oder Monate dauern. Zur Lösung der aktuellen Situation trage er nicht bei. Der Vorwurf der Erpressung sei völlig haltlos, da Vertreter der Mazur-Gruppe am Wochenende nicht daran gehindert worden seien, zwei leere Lkw zu übernehmen.

Die Stellvertretende Vorsitzende des DGB Hessen Thüringen, Renate Sternatz, erinnerte daran, dass gegen Mazur und dessen Handlanger wegen des Verdachts des besonders schweren Falls von Landfriedensbruch, Körperverletzung, Störung einer Versammlung und Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt werde. Beim letzten Streik in Gräfenhausen hatte Mazur einen polnischen Detektiv engagiert, der mit einem panzerähnlichen Fahrzeug und Privatmiliz in Gräfenhausen vorgefahren war. Sternatz forderte die Behörden auf, den neuesten Stand ihrer Ermittlungen gegen Mazur publik zu machen. Die jetzt streikenden Fahrer befürchteten erneute Übergriffe des Unternehmens.

Mazur habe sämtlichen aktuell Streikenden gekündigt, erklärte Edwin Atema gegenüber der „Deutschen Presseagentur“. Unter den Kündigungsschreiben befänden sich gefälschte Unterschriften der Fahrer.

Die streikenden Fahrer kommen überwiegend aus Georgien, Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan. Laut ver.di ist ihr Arbeitsalltag geprägt von Arbeitszeitverstößen, Mindestlohnbetrug und generell menschenunwürdigen Bedingungen. Der Verein Sozialmaut e. V. kritisiert, Fahrer würden häufig gezwungen, Verträge in Sprachen zu unterschreiben, die sie nicht verstünden. Sie würden zu falscher Arbeitszeitdokumentation gezwungen und riskierten Lohnabzug bei zu hohem Dieselverbrauch. Krankheitszeiten würden als unbezahlter Urlaub gewertet. Der Mangel an Parkplätzen führe dazu, dass Fahrer ihre Pausen an Wochenenden unter unmöglichen Umständen verbringen müssten. Häufig hätten sie nicht einmal Zugang zu Frischwasser.

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Lebensmittelspenden für die streikenden Lkw-Fahrer in Gräfenhausen. (Foto: Rudi Hechler)

Praktische Solidarität für die Streikenden in Gräfenhausen leistet der DGB. Der Gewerkschaftsbund hat einen Pendelservice eingerichtet, der die Fahrer zweimal pro Woche zu einer Sporthalle in Darmstadt bringt, wo sie duschen können – während der Sommerferien. Die Duschen auf dem Rastplatz Gräfenhausen sind außer Betrieb. Ehrenamtliche Sympathisanten engagieren sich als „Waschpaten“. Sie sammeln die Wäsche der Fahrer ein und bringen sie sauber zurück zu den Streikenden.

Auch die Stadtverordneten-Fraktion der DKP/Linke Liste in Mörfelden-Walldorf war wiederholt vor Ort. Im laufenden Streik belieferte Stadtverordneter Dietmar Treber die Streikenden mehrfach mit Lebensmittelspenden.

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