Ein Blick in die (Medien-)Welt der vergangenen Woche

Banalität des Bösen?

Von Adi Reiher

Die Erleichterung über den ausgebliebenen Wahlsieg des niederländischen Rechtspopulisten Wilders wird hierzulande etwas dick aufgetragen. Wenn der amtierende Ministerpräsident Rutte Wilders rechts überholen will, sagt das nichts Gutes über die Strategie gegen Rechts. Wenn der Inhalt der Politik sich immer weiter verschiebt, kann es am Ende egal sein, von wem wir gerupft werden.

Mein Lieblingswitz über den 43. US-Präsidenten George W. Bush ging so: „Die Bibliothek des US-Präsidenten ist vernichtet, beide Bücher sind verbrannt – und eins hatte er noch nicht einmal komplett ausgemalt.“

Seit 2012 holt Bush das nach und versucht sich als Maler – Vorbild Churchill. Zunächst waren es Motive aus dem sonnigen Florida, dann aus der Heimat Texas, es folgten Porträts von Politikern, denen Bush in seiner Amtszeit begegnete; Frau Merkel ist auch dabei, es soll heiter sein, ich will’s nicht sehen. Putin ist wohl düster geraten, Fürst des Bösen halt. Das bleibt noch auf der harmlosen Ebene, ein Privatier sucht sich eine Beschäftigung.

Bushs neuestes Projekt, der Bildband „Portraits of Courage“ ist alles andere als harmlos. Seit zwei Wochen steht das Buch an der Spitze der Bestsellerliste in den USA. Inhalt: Por­träts eines Teils seiner Opfer. Etliche der 50 000 verletzten US-Soldaten aus „Bushs“ Kriegen (2001 Irak, 2003 Afghanistan) will er persönlich getroffen und gemalt haben. Porträts der 7 000 Gefallenen der US-Armee in diesen Kriegen fehlen allerdings – Exhumierung ist teuer.

Obwohl Bush wohl nach Fotos arbeitet, fehlen auch Bilder aus Abu Ghra­ib, vom Waterboarding, aus Guantanamo, von bombardierten Hochzeitsgesellschaften, Verstümmelungen und Missbildungen durch Uranmunition; die Liste der Kriegsverbrechen, die auf Bushs unmittelbaren Befehl begangen wurden, ist wesentlich länger.

Allein daraus erhellt, dass hier niemand „bereut“, wie „Die Zeit“ meint. Bushs Grinsen bei der Buchvorstellung lässt an Hannah Arendts „Banalität des Bösen“ denken. Aber auch hier stößt der Begriff schnell an seine Grenzen. Selbst eine Flachpfeife wie Bush weiß um seine Völkermorde. Selbst er hätte wissen können, dass seine Aktion eine Verhöhnung aller Opfer ist, die bekanntlich in die Hunderttausende gehen. Selbst wenn er den Erlös seines Buches der Wiedereingliederung der Veteranen – und nur ihnen – zukommen lässt. Er stigmatisiert und verhöhnt sie allein dadurch, dass er die Bilder mit dem anmaßenden „43“ des Kriegsherren signiert.

Der WDR 2 macht sich der Beihilfe zur Verkehrsverhinderung schuldig. Einerseits werden die Hörer zum Schimpfen über die Leistungsverweigerungen der Bahn AG und des Öffentlichen Personennahverkehrs in Nordrhein-Westfalen aufgefordert, andererseits streuen die Moderatoren immer wieder die gängigen Entschuldigungen der Verkehrsverhinderer. Das Spiel läuft schon seit Jahrzehnten. Kein Pendler kann darüber noch lachen.

Der Name „Mr. 100 Prozent“ wird noch wie Blei auf dem neuen SPD-Vorsitzenden lasten. Jeder noch so kleine Rückschlag in der Gunst der Partei oder der Wähler wiegt nun doppelt schwer. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem „Hosianna“ ziemlich bald das „Kreuziget ihn“ folgt, nähert sich den 100 Prozent.

Es ist ja so, dass in unserem Land Durchstechereien und windige Manöver an der Tagesordnung sind – bei allen Parteien. Aber in der Türkei kann man es auch. Angeblich sind in Istanbul Verdächtige festgenommen worden, die Verbindung zum Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter haben sollen.

Das unterstreicht den lauteren Charakter des Anti-Terror-Kampfes des Herrn Erdogan. Diesen verlogenen Zusammenhang finden wir in unseren Medien kaum, auch wenn es Mode geworden ist, mit Herrn Erdogan unterschwellig „die Türkei“ zu bashen. Noch peinlicher finde ich es, dass kaum jemand erwähnt, dass es in der Türkei gerade wieder eine Verhaftungswelle gibt, die den Widerstand gegen das Präsidialreferendum weiter erschweren soll.

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"Banalität des Bösen?", UZ vom 24. März 2017



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