Der Koalitionsvertrag der derzeitigen Regierungskoalition brachte den Stein ins Rollen: die zwei Bahnunternehmen DB Station&Service AG (Bahnhöfe) und die DB Netz AG (Schienenwege) werden künftig unter einem Dach firmieren. Hierzu wird die Bahnhofsgesellschaft mit rund 7.500 Beschäftigten zunächst mit der Schienengesellschaft mit rund 46.000 Beschäftigten „verschmolzen“ und dann unter neuem Namen „DB InfraGO AG“ weiterarbeiten. InfraGO steht für Infrastruktur – Gemeinwohlorientiert. Die Unternehmensstruktur soll dann befristet für fünf Jahre mit zunächst zwei Geschäftsbereichen – Personenbahnhöfe und Fahrweg – weiterarbeiten. In diesem Zeitraum sollen die beiden Gesellschaften zusammenwachsen.
Der zuständige Verkehrsminister hat grünes Licht für eine entsprechende Vereinbarung zur schrittweisen Umsetzung der neuen Struktur des Konzernvorstandes mit den Gesamtbetriebsräten und den zwei Unternehmensvorständen gegeben. Verkehrsminister Wissing sieht eine „historische Entscheidung in der Geschichte der Deutschen Bahn“, mit der die geforderte Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur umgesetzt werden soll. Mit zusätzlichen Mitteln von rund 40 Milliarden Euro soll wieder ein „zuverlässiger, effizienter und moderner Verkehrsträger“ zur Verfügung stehen. Mit eingebunden in die Diskussionen auf der Bundesebene war die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), welche ihren Fokus stets auf die Erhaltung des Gesamtunternehmens und der Arbeitsplatzsicherung richtete. Der Konzernerhalt in dieser Form hat in der Regierungskoalition keine ungeteilte Unterstützung.
Ein Blick hinter die Kulissen macht deutlich, dass hier keine Abkehr von der bisherigen Linie der Verkehrspolitik erfolgt. 40 Milliarden Euro Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind nur knapp die Hälfte des seit der Bahnprivatisierung von 1994 aufgelaufenen Investitionsstaus. Gerade diese aufgrund des hohen Aufwandes versäumten Investitionen sind eine der Haupt-ursachen für den derzeitigen Zustand der Bahn, nicht nur in der Infrastruktur.
Gemeinwohlorientierung ist ein unbestimmter Begriff, der keine festgelegte Definition hat. Das Bundeswirtschaftsministerium definiert diese als Unternehmen, „für die das soziale oder gesellschaftliche, gemeinwohl-
orientierte Ziel Sinn oder Zweck ihrer Geschäftstätigkeit darstellt“ und in deren Eigentumsverhältnissen sich dieses Ziel widerspiegelt, „da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Beteiligung der Belegschaft basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind“. Eine Aktiengesellschaft ist jedoch eindeutig auf Gewinnorientierung ausgerichtet und dieser verpflichtet, jenseits sozialer Ziele. Einflussmöglichkeiten des Staates sind nur indirekt möglich.
Für eine Verkehrswende ist das Herangehen ungeeignet, denn hierzu braucht es einen Verkehrsdienstleister, der die Gesamtmobilität im Auftrag hat und kein zerstückeltes Unternehmen. Eine Betrachtung der sogenannten Bahnreform seit 1994 hat gezeigt, dass vor allem die Infrastruktur ein milliardenschweres Zuschussgeschäft bleibt, mit dem sich kein Geld verdienen lässt. Daher wird dieses Geschäft sozialisiert, während Gewinne privatisiert werden. Einigen konnte sich die Koalition, weil eine Umorganisation Jahre dauert, sie aber nötig ist, um anschließend die Zerschlagung der DB mit einem Federstrich umzusetzen.