Otto Marx lebte die Einheit von Theorie und Praxis

Autorität ohne Amt

In den letzten acht bis zehn Jahren war der Küchentisch bei Otto und Erika Marx oft der Treffpunkt linker, demokratischer und antifaschistischer Menschen in Oberhausen. Aber es gab keine „Küchenphilosophie“, sondern dank Ottos kluger und beharrlicher Argumentation kleine marxistische Lehrstücke über Theorie und Praxis. Seine Frau Erika, mit der Otto 50 gemeinsame Kampf- und Lebensjahre teilte, diskutierte mit und half, wenn Erinnerungen fehlten oder unvollständig waren. Deutlich wurde bei vielen dieser Gespräche, wie sehr es Otto um die Verbindung theoretischer Erkenntnisse und Erfahrungen ging mit den praktischen Erfordernissen, was nun konkret zu leisten wäre.

Wenn Otto über frühere Zeiten in Oberhausen und im westlichen Ruhrgebiet sprach, mussten die Zuhörenden ernüchtert feststellen, wie viel an Einfluss, ja überhaupt Bekanntheit kommunistischer Sichtweisen verlorengegangen ist. Wenn Otto über die politische Arbeit in den Großbetrieben von Kohle und Stahl berichtete, oft in enger Verbindung mit den Industriegewerkschaften, dann ging es oft darum, wie es gelang, antikommunistische Vorbehalte in der Arbeiterklasse zurückzuweisen.

In Erinnerung bleibt nicht nur, wie gebildet Otto war und dass diese Bildung eine umfassende war, die Kunst und Kultur einbezog, sondern auch, wie praktisch dieses Potenzial von Otto genutzt wurde. So wurde die erste große Ausstellung Bildender Kunst der DDR in Oberhausen gezeigt. Otto half – mit seinen Kontakten in die DDR, aber auch zu den hiesigen Ausstellungsmachern, Kuratoren und der Presse.

Eine weitere Erinnerung an Otto ist verbunden mit einer Bildungsreihe. Die Freidenker hatten die Idee, sich gemeinsam mit der DKP und der Partei „Die Linke“ in Duisburg monatlich mit dem Wirken und den Werken von Karl Marx zu beschäftigen. Die Reihe bekam den Titel „Marx in Marxloh“, eine schön doppeldeutige Überschrift. Denn der hauptsächliche Referent war Otto Marx, das Bürgerbüro von Sevim Dagdelen in Duisburg-Marxloh diente als Tagungsort. Wenn andere referierten, hatten sie das Thema und die Intention häufig mit Otto abgesprochen. Otto trat gerne vor Schulklassen auf und konnte sehr konkret schildern, wie der faschistische Terror in Oberhausen gewütet hatte. Die Autorität, die Otto ausstrahlte, kam nicht aus einer Funktion oder einem Amt, sondern aus für alle sicht- und hörbaren Erfahrungen eines langen kommunistischen Kämpferlebens. Bis heute übernehmen Schülerinnen und Schüler immer wieder Patenschaften für „Stolpersteine“ – was sicherlich auch Ottos Engagement zu verdanken ist. Erika ist Otto vor einem Jahr vorangegangen. Sie werden uns fehlen.

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"Autorität ohne Amt", UZ vom 5. Februar 2021



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